Wegfall der Wehrpflicht: Westfälische Hochschulen sind auf zusätzliche Studenten vorbereitet
Westfalen (wh). Ein Aussetzen der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 wird immer wahrscheinlicher. Nach Berechnung der Kultusministerkonferenz werden bis zu 60.000 Studienanfänger zusätzlich an die deutschen Universitäten strömen, falls das Gesetz beschlossen wird. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) geht sogar von 70.000 neuen Bewerbern aus – 15.000 alleine in Nordrhein-Westfalen. Weitere Studienplätze werden benötig, wenn in den kommenden Jahren in mehreren Bundesländern doppelte Abiturjahrgänge die Schulen verlassen. In NRW ist es 2013 so weit.
An der Fachhochschule Südwestfalen wird durch verschiedene Baumaßnahmen und Raumanmietungen schon seit längerer Zeit der erwartete größere Andrang vorbereitet. Die Hochschulleitung rechnet in den nächsten Jahren mit fünf bis zehn Prozent mehr Erstsemestern. Die im sogenannten Hochschulpakt II festgelegte finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung der zusätzlichen Studienbewerber durch Bund und Länder sei ausreichend: "Unter der Maßgabe, dass die mit dem Ministerium getroffenen finanziellen Vereinbarungen Bestand haben, kann die Fachhochschule Südwestfalen sowohl im nächsten Jahr als auch 2013 eine ausreichende Anzahl von Studienplätzen zur Verfügung stellen", sagt FH-Sprecherin Birgit Geile-Hänßel.
Ganz ähnlich verhält es sich an der Universität Paderborn. Weit über 100 Millionen Euro wurden hier in den letzten vier Jahren in Neubauten investiert, um einer Überlastung der Universität vorzubeugen. Trotzdem stehe man, so Präsident Prof. Dr. Nikolaus Risch, in nächster Zeit vor einer großen Herausforderung: "Deshalb erwarten wir von der Landesregierung mehr Unterstützung, wenn sie mehr Studienanfänger fordert."
In Bochum rechnet Ruhr-Uni-Sprecher Dr. Josef König vor, wie sich ein Aussetzen der Wehrpflicht seiner Meinung nach auswirken wird – und kommt zu anderen Zahlen als die Kultusministerkonferenz: "Wenn man davon ausgeht, dass 2010 circa 105.000 Wehrpflichtige berufen wurden, dass circa ein Drittel des Jahrgangs Abitur haben, verbleiben großzügig gerechnet knapp 40.000 Studierberechtigte. Bei einer Studierquote von circa 75 bis 80 Prozent wären das etwa 32.000 jungen Menschen, die die Hochschulen zusätzlich aufnehmen müssten. Verteilt man sie auf etwa 350 Hochschulen in Deutschland sind das pro Hochschule circa 100 Studierende zusätzlich." Das sei wohl kaum "dramatisch" zu nennen, so König.
Auch sein Kollege Norbert Robers, Sprecher der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wiegelt ab: "In der Diskussion um das Aussetzen der Wehrpflicht gibt es noch sehr viele Unbekannten. Derzeit wird über einen Bundesfreiwilligendienst debattiert, der ebenfalls Auswirkungen auf die Zahl der Studienanfänger hätte. Dementsprechend fällt es uns enorm schwer, genau abzuschätzen, wie groß der Andrang wird." Mehr Klarheit gibt es beim Thema doppelter Abiturjahrgang. Hier reagiert die Universität mit 1800 zusätzlichen Studienplätzen in den Jahren 2011 bis 2015.
Gut vorbereitet sieht sich auch die Hochschule Hamm-Lippstadt, schließlich wurde die HSHL erst vor einem Jahr – auch vor dem Hintergrund des doppelten Abiturjahrgangs – gegründet. "Wir sehen gerade im Schaffen zusätzlicher Studienplätze unsere Daseinsberechtigung und Aufgabe als Neugründung", sagt Sprecherin Britta Jakob. Bereits in diesem Jahr gab es 20 Prozent mehr Bewerber als geplant – ihren Studienplatz haben alle bekommen.