Fehlen in diesem Jahr zum Welt-Aids-Tag: Die Teddybären. Foto: Aidshilfe NRW
01.12.2021

„Aufklärungsarbeit vor Ort ist gerade schwierig“

Arne Kayser ist Geschäftsführer der Aidshilfe Bochum und Vorstandsvorsitzender der Aidshilfen NRW. Im Interview spricht er über Sorgen und Probleme der Vereine während der Pandemie.

Herr Kayser, wie hat sich die Corona-Pandemie auf ihre Arbeit bei der Aidshilfe ausgewirkt.
Da gibt es viele verschiedene Auswirkungen. So ist zum Beispiel unsere Aufklärungsarbeit vor Ort in den Schulen, in anderen Einrichtungen oder bei anderen Events  schwierig. Wir mussten ständig neue Konzepte entwickeln, die mit den aktuellen Coronaschutzmaßnahmen konform gingen. Wir gehen ja auch auf die Menschen in den Clubs, Kneipen und auf großen Partys zu, um aufzuklären. Während des Lockdowns war das gar nicht möglich. Auch unsere Streetworker mussten sich umstellen. Aber das hat gut funktioniert. Zum Beispiel hat sich ein „Walk and Talk“ etabliert, bei dem unsere Mitarbeiter mit Betroffenen spazieren gegangen sind.

Wie sieht es mit der Spendenbereitschaft der Menschen aus?
Leider hat die Pandemie die ohnehin fragile finanzielle Situation vieler Aidshilfen noch verschärft. Rund um den Weltaidstag am 1. Dezember ist für uns die wichtigste Zeit, um Spenden zu akquirieren. Doch bei den hohen Inzidenzen sind Aktionen in den Innenstädten oder anderswo kaum möglich. Leider kam wegen Lieferengpässen auch der Welt-Aids-Teddy für dieses Jahr nicht bei den Aidshilfen an. Über den Verkauf der Teddys generieren wir normalerweise einen Großteil unseres Spendenaufkommens. Viele Aidshilfen machen sich nun Sorgen, ob sie ihre Mitarbeiter im kommenden Jahr noch bezahlen können.

Schon vor der Pandemie hatte man den Eindruck, dass das Bewusstsein für HIV in der Öffentlichkeit nicht mehr besonders groß ist.
Das mag stimmen, aber HIV, Aids, ist nach wie vor ein Thema. Mehr als 90.000 Menschen in Deutschland sind mit dem HI-Virus infiziert. Die Zahl nimmt kontinuierlich zu, weil die HI-Infektion inzwischen zum Glück sehr gut behandelbar ist und das Stadium Aids vermieden werden kann. Jährlich verzeichnen wir in Deutschland bis zu 3000 Neudiagnosen.

Arne Kayser: Foto: Aidshilfe NRW

Arne Kayser: Foto: Aidshilfe NRW

Was bedeutet das für die Zukunft der Aidshilfen?
Zunächst einmal, dass unsere Arbeit weiter wichtig bleibt. Wir müssen eine komplexe Botschaft so kommunizieren, dass die Menschen sie verstehen. Das versuchen unter anderen mit vielen Informationen rund um „Safer Sex 3.0“.

Was steckt dahinter?
Wir verdeutlichen darin, dass es drei Möglichkeiten gibt, sich vor einer Ansteckung mit dem HI-Virus zu schützen. Erstens: Kondome zu benutzen, zweitens: Die Präexpositions-Prophylaxe, kurz PräP, bei der die Menschen Tabletten zum Schutz vor einer Ansteckung nehmen können, und drittens der Schutz durch Therapie. Die allermeisten Infizierten in Deutschland werden behandelt und zwar so, dass sie ihre Infektion nicht weitergeben können.

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Werden Menschen, die mit dem HI-Virus infiziert sind, immer noch stigmatisiert?
Das ist in der Tat immer noch eines der größten Probleme. Dazu hat es kürzlich eine Umfrage gegeben. Die Erfahrungen der HIV-positiven Menschen ist erschreckend. Die meisten von über gut 1.500 der Befragten haben angegeben, dass sie Diskriminierungen erfahren – zum Beispiel im persönlichen Umfeld, am Arbeitsplatz, aber auch beim Zahn- oder Hausarzt.

Und nun gibt es auch noch die Vermutung, dass die neue Coronavariante Omikron mit einem HIV-positiven Menschen zusammenhängen könnte.
Ich hörte davon. Bei dem Gedanken daran, bekomme ich wirklich Bauchschmerzen. Ich kann das nicht beurteilen, ich bin keine Virologe. Es muss erst einmal abgewartet, was die nachfolgenden Untersuchungen ergeben. Bisher sind es nur Hypothesen. Außerdem sollten wir doch erst einmal auf ungleiche gobale Impfstoffverteilung hinweisen und hier kein neues Stigma mit Schuldzuweisungen produzieren.

Interview: Jürgen Bröker, wsp

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