Wenn die Pyramide kippt
Jedes Jahr locken die Ruhrfestspiele ein riesiges Publikum nach Recklinghausen. Das neue Programm ist am Mittwoch (21.2.) bekanntgegeben gegeben worden. Im Interview mit dem WESTFALENSPIEGEL verspricht Intendant Olaf Kröck viele spannende Momente.
Herr Kröck, die Ruhrfestspiele starten diesmal mit einer Deutschlandpremiere aus dem Bereich des Neuen Zirkus – „The Pulse“ vom australischen Ensemble „Gravity & other Myths“. Ist das ein Bekenntnis zu dieser Kunstform?
Ja, aber es ist auch ein Bekenntnis zu den Ruhrfestspielen. Wir wollen ja ein Festival für alle sein. Dabei haben wir auch den Anspruch, internationale Großkunst zu zeigen, die eine Komplexität hat. Viele Zuschauende kommen seit Jahrzehnten nach Recklinghausen und haben viel Theater gesehen. Gleichzeitig wollen wir auch zugängliche Kunst zeigen, die ohne Voraussetzungen funktioniert. Der zeitgenössische Zirkus hat einen hohen Anspruch, ist aber auch artistisch, spektakulär und virtuos.
Wie schafft das diese Aufführung konkret?
Da wird zum Beispiel eine Pyramide mit Menschen aufgebaut. Normalerweise klatscht das Publikum, wenn das geschafft ist. Aber hier ist es noch gar nicht der spektakuläre Moment. Die Pyramide stürzt, Menschen stürzen ins Dunkle. Das ist tatsächlich gefährlich für das Ensemble, ein wahnwitziger Moment. Auch weil der Zirkus hier sich selbst und das Prinzip der Shownummern reflektiert. Die Gruppe „Gravity & other Myths“ ist vor zehn Jahren bei den Ruhrfestspielen gewesen. Heute sind sie Weltstars und „The Pulse“ eine der größten tourenden Shows neben denen des Cirque de Soleil. Außerdem ist noch ein großer Chor aus unserer Region dabei, es wird also auch bei uns geprobt.
Das ist jetzt schon die sechste Ausgabe unter Ihrer Leitung. Ich war überrascht, dass es schon so viele sind…
Ehrlich gesagt, ich auch. Da lag natürlich die Pandemie dazwischen. Ich habe aber das Gefühl, uns selbst wird immer klarer, was wir hier wollen. Eine inhaltliche Haltung und Breitenwirksamkeit ist kein Gegensatz, wenn die Mischung stimmt. Wir finden Jahr für Jahr weiter heraus, wie wir das Programm immer wieder neu für die veränderten Weltlagen zusammensetzen müssen.
Eine neue Studie zeigt, dass mehr Individuen ins Theater gehen, die aber seltener kommen und durch einzelne Aufführungen angesprochen werden. Welche Folgen hat das für die Ruhrfestspiele?
Wir haben eine andere Perspektive. Wir haben durchgehend sehr gute Besuchszahlen gehabt, sogar in den Coronajahren. Das hat damit zu tun, dass wir als Festival konzentriert im Frühling spielen, danach verschwinden und im nächsten Jahr wiederkommen. Aber auch damit, wie wir das Programm strukturieren und denken. Wir müssen möglichst große Schnittmengen schaffen. Zu uns kommen viele Menschen, die sich inhaltlich mit einem Thema beschäftigen wollen. Im vergangenen Jahr war auch Kirill Serebrennikows Stück „Der Wij“ über den Ukraine-Krieg ausverkauft.
Dieser Artikel ist aus dem Heft 01/2024 des WESTFALENSPIEGEL. Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Gerne senden wir Ihnen im Rahmen unseres Schnupperabos zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht´s zum Schnupperabo
Aber es muss auch ästhetische Erlebnisse, schöne Abende geben?
Klar, wir können ja auch nicht ständig nur Nachrichten schauen. Vergnügen und Zerstreuung sind berechtigte Bedürfnisse. Aber das dürfen wir nicht unterschätzen: Die Menschen sind auch bereit, sich mal überfordern zu lassen und es sich nicht bequem zu machen. Das können die Ruhrfestspiele zusammenbringen.
Interview: Stefan Keim
Weitere Informationen: Zum ersten Mal eröffnen die Ruhrfestspiele am 3. Mai mit einer Produktion aus dem Neuen Zirkus: „The Pulse“ von der preisgekrönten australischen Kompanie Gravity & Other Myths wird als Deutschlandpremiere zu sehen sein. Karten für die Eröffnung sowie für die Vorstellungen am 4. und 5. Mai sind ab sofort buchbar. Für alle anderen Veranstaltungen startet der Kartenvorverkauf am 29. Februar.
Ruhrfestspiele, 1. Mai bis 8. Juni,., www.ruhrfestspiele.de, Karten-Hotline: Tel. 02361/ 9218-0