Wenn Hollywood anklopft
Ein Porträt des Musikers Volker Bertelsmann alias Hauschka aus dem WESTFALENSPIEGEL 2/2017.
Erster Gedanke in einem Gespräch mit dem Pianisten Hauschka: Schade, dass er nicht singt. Volker Bertelmann, wie der Musiker in Wirklichkeit heißt, hat nämlich eine ziemlich tolle Stimme, sehr ruhig und angenehm – Leonard Cohen für Nichtraucher. Hauschka spielt allerdings auch verflixt gut Klavier, das weiß man sogar in Hollywood. Der 51-Jährige war für seinen Soundtrack zu dem Film „Lion“ für den Oscar nominiert. Und er dürfte der Grund sein, warum auch viele jüngere Menschen, die sonst vor allem zeitgenössische elektronische Musik hören, neuerdings großes Interesse an Klassik haben, am Solo-Piano zumal.
Hauschka lebt in Düsseldorf. Er ist Vater von 19 Jahre alten Zwillingsmädchen und einem vier Jahre alten Sohn. Er wurde in Kreuztal-Ferndorf im Siegerland geboren, und als er acht war, bekam er Klavierunterricht. Er hat eine klassische Ausbildung, studierte ein bisschen BWL und etwas Medizin und gründete die HipHop-Band God’s Favorite Dog, die zwar einen Plattenvertrag, aber nur einen Hit hatte. Bertelmann kehrte zurück zu den Eltern, gab Musikunterricht, zog nach Düsseldorf, und seit 2004 veröffentlicht er unter dem Namen Hauschka. Sein Markenzeichen: Er präpariert die Saiten des Klaviers mit Alufolie, Kronkorken und Filz, er benutzt das Piano als Rhythmus-Instrument, und im Grunde produzierte er schon damals jene Musik, die man heute Neo-Klassik nennt: klassische Musik von Menschen, die über Techno, HipHop und Postrock informiert sind und lieber in Clubs auftreten als in Konzertsälen.
Regisseure werden auf Hauschka aufmerksam
Hauschka wurde zum Szene-Helden, spielte mit US-Violinistin Hilary Hahn, er trat in der ganzen Welt auf, und einmal besuchte die Regisseurin Doris Dörrie eines seiner Konzerte. Danach bat sie ihn um einen Soundtrack, und das Ergebnis ist, dass ihr Film „Glück“ klingt wie ein Album von Hauschka. Ihm gefiel diese Arbeit, sie lag ihm am Herzen, und deshalb wollte er vorbereitet sein für Größeres. Er nahm sich eine Agentin in den USA. Sie vermittelte ihm Treffen mit Regisseuren, es ergaben sich kleinere Engagements.
Nach einem Auftritt in Melbourne sprach ihn dann „Lion“-Regisseur Garth Davis an. Er fragte, ob Hauschka sich vorstellen könne, die erste Hälfte seines neuen Films zu vertonen, die zweite Hälfte werde Dustin O‘ Halloran übernehmen. Der ist auch einer dieser Neo-Klassik-Jungs und außerdem ein Freund Hauschkas. Natürlich sagte Bertelmann zu. Wie Davis auf Hauschka kam? Zufall: Wenn ein Film geschnitten wird, unterlegen Cutter ihre Arbeit mit Musik, die ihnen gefällt, um einen Eindruck vom späteren Produkt zu bekommen. Davis‘ Schnittmeister ist Hauschka-Fan.
„In Amerika sagen sie: You need a film to make a film“, erklärt Hauschka. Man müsse etwas vorweisen können, um etwas zu bekommen. Der erste Film sei deshalb der schwerste, aber seit er „Lion“ gemacht hat, flattern hochwertige Drehbücher auf seinen Schreibtisch. „Mein Leben hat sich völlig geändert.“ Genau genommen führe er jetzt sogar drei Leben: das in Hollywood, das als Komponist klassischer Musik und das des Musikers, der eigene Platten aufnimmt – wie sein neues Album „What If“. „Früher konnte ich Dinge nacheinander abarbeiten, heute mache ich alles parallel.“
Oliver Saatmann
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im WESTFALENSPIEGEL 2/2017.