„Wetter ist und bleibt chaotisch“
Dr. Tim Peters ist der Meteorologe bei der Westfälischen Provinzial Versicherung AG. Im Interview spricht er über Wetterextreme, den Klimawandel und die Folgen für die Versicherung.
Für Ihre Kollegen hier in Münster hat es sicher Vorteile, einen Meteorologen in den eigenen Reihen zu haben. Sie wissen immer, wie das Wetter wird, oder?
Leider liege ich da manchmal auch daneben. Erst kürzlich hat mich ein Kollege gefragt, wann er mit seinem Rad nach Hause fahren soll, damit er trocken ankommt. Wir haben uns gemeinsam die Radardaten angesehen und ich habe ihm empfohlen, lieber direkt los zu fahren. Er war keine fünf Minuten aus meinem Büro raus, da fing der Regen an. Daran sieht man: Wetter ist und bleibt ein Stück weit chaotisch.
Kyrill, Friederike, Dürre, Hitzesommer, Starkregen mit Überflutungen – wird es in Zukunft mehr extreme Wetterereignisse geben?
Ja, das lässt sich so sagen. Eine Ursache dafür ist, dass die Durchschnittstemperatur in den vergangenen 100 Jahren um ein Grad angestiegen ist. Damit sind weitere Phänomene verknüpft.
Nämlich?
Der Anstieg der Temperatur führt zu deutlichen Veränderungen beim Niederschlag. Damit meine ich nicht die Durchschnittswerte. Die werden sich voraussichtlich nicht sehr verändern. Aber das Thema Starkregen wird uns mehr beschäftigen. Es wird häufiger einzelne sehr heftige Ereignisse geben. Wie zum Beispiel 2014 in Münster, als in sieben Stunden mehr als 290 Liter Regen fielen.
Schließen nach extremen Unwettern eigentlich mehr Menschen eine Elementarschadenversicherung ab?
Definitiv. Vor allem, wenn es eine eigene Betroffenheit gibt oder wenn über extreme Wetterereignisse in den Medien berichtet wird, steigt die Zahl der Elementarschadenversicherungen, die ja eine freiwillige Versicherung ist, sprunghaft an. Das haben wir auch nach den Ereignissen von Münster gesehen.
Gegen welche Schäden kann man sich denn eigentlich versichern?
Blitzschlag und Sturm sind in der normalen Gebäude- und Hausratsversicherung abgedeckt. Aber nicht Wasserschäden durch Starkregen oder Flussausuferungen. Das muss man zusätzlich absichern. Sonst bleibt man auf den Kosten sitzen. Das können in Einzelfällen richtig hohe Summen sein, weil ein Wassereinbruch ein Gebäude meist extrem schädigt. Beim Starkregen in Münster gab es zum Beispiel einen Privathaushalt, bei dem eine Schadensumme am Gebäude von 500.000 Euro registriert wurde. Ein Totalschaden also.
Trotz solch hoher Einzelsummen bei Starkregen – die Gesamtbilanz von Stürmen ist verheerender. Woran liegt das?
Zunächst einmal stimmt es, dass die gesamte Schadensumme bei Stürmen höher ist. Bei Kyrill im Jahr 2007 etwa hat die Provinzial Schäden im Gesamtvolumen von 243.000.000 Euro registriert. Das hängt im Wesentlichen mit zwei Faktoren zusammen. Zum einen sind in Deutschland weit über 90 Prozent der Gebäude gegen Sturmschäden versichert. Bei den Elementarschäden liegen wir nur bei knapp über 40 Prozent. Stürme ziehen zudem wie eine Walze über das Land und treffen gleich sehr viele Menschen. Das Sturmtief „Friederike“ zu Beginn des vergangenen Jahres zum Beispiel hat fast in ganz Westfalen Schäden hinterlassen. Die Starkregenereignisse bilden sich dagegen sehr lokal und punktuell. Die Zellen haben oft nur einen Durchmesser von fünf bis zehn Kilometern. Sie werden also nie so viele Gebäude treffen.
Lassen sich die Ereignisse gut voraussagen?
Auch da gibt es zwischen Starkregen und Sturm große Unterschiede. Ein Sturm bildet sich meist über dem Atlantik und zieht dann in Richtung Mitteleuropa. Das dauert mehrere Tage. Man hat also Zeit – vielleicht zwei oder drei Tage –, sich darauf vorzubereiten. Vor einem Starkregen oder Gewitter kann man maximal mit einer Vorlaufzeit von ein bis zwei Stunden warnen. Wenn überhaupt. Da kann ich keine schadenverhütenden Maßnahmen mehr einleiten. Allenfalls bleibt mir Zeit, die Fenster zu schließen und wichtige Akten aus unteren in obere Geschosse zu bringen.
Führen solche Unwetter dazu, dass die Beiträge der Versicherung steigen?
Nein. Für die Beitragsbemessung spielen solche kurzfristigen Ereignisse keine Rolle. Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Sturm. Da betrachten wir die durchschnittlichen Schäden über einen Zeitraum von 30 Jahren. Im Übrigen spielt auch der Blick in die Zukunft keine große Rolle. Wir wissen, dass sich die klimatischen Bedingungen verändern. Für die Berechnung der Beiträge fällt das aber nicht ins Gewicht.
Interview: Jürgen Bröker
Dieser Beitrag stammt aus Heft 1/2019 des WESTFALENSPIEGEL