"Wir aber gehen davon aus, dass das Filialnetz weiter zurückgehen wird", sagt Prof. Liane Buchholz im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL. Foto: Jürgen Bröker
09.03.2018

Wir bringen Bargeld nach Hause

Die Zahl der Sparkassen-Filialen wird in Zukunft weiter zurückgehen, sagt die westfälische Verbandspräsidentin Prof. Liane Buchholz.

Frau Prof. Buchholz, wie geht es den Sparkassen in Westfalen?
Die mittelständische Wirtschaft in Westfalen ist bärenstark und jeder zweite Unternehmer hat seine Haupt-Bankverbindung bei einer Sparkasse. In der regionalen Verbundenheit liegt unsere Stärke und daher profitieren wir von der positiven Konjunkturentwicklung. Nichtsdestotrotz spüren wir angesichts der Niedrigzinsphase den Druck auf die Ergebnisse. Hinzu kommt die steigende Belastung durch Regulierung, also durch Vorgaben, die der Aufsicht über die Banken dienen sollen.

Können sich kleine Sparkassen da noch selbstständig am Markt halten?
Ja, wenn wir beim Thema Regulierung gesetzliche und organisatorische Rahmenbedingungen schaffen, die Entlastung bringen. Die kleinen, regional verwurzelten Institute haben die Finanzkrise nicht verursacht, sie zahlen aber in Form von gestiegenen Auflagen immer noch den Preis dafür.

Warum gab es dann in letzter Zeit mehrere Fusionen? Waren das allesamt Notfälle?
Nein, vielmehr spielten andere Gründe eine Rolle. Sie können von Institut zu Institut sehr unterschiedlich sein. Manchmal geht es um die Anpassung an wirtschaftliche Strukturen. Manchmal schließen sich Sparkassen zusammen, um die gestiegenen Anforderungen besser bewältigen zu können.

Kosteneinsparungen haben also keine Rolle gespielt?
Am Ende des Tages bringt eine Fusion selbstverständlich eine Ersparnis bei den Fixkosten. Die Bereiche, die davon betroffen sind, befinden sich aber eher hinter den Kulissen. So braucht jede Bank einen Geldwäschebeauftragten, und eine fusionierte Sparkasse braucht dann eben nur noch einen anstatt zwei. Im Kundenbereich und in der Fläche bleiben die Sparkassen nach wie vor präsent.

Seit einigen Jahren schließen die Sparkassen immer mehr Filialen. Wird es in Zukunft noch Geschäftsstellen in den Dörfern und Stadtteilen geben?
Darüber entscheiden die Kunden. Wir aber gehen davon aus, dass das Filialnetz weiter zurückgehen wird. Schließlich führen mittlerweile mehr als 50 Prozent der Kunden ihr Konto online und besuchen im Durchschnitt nur noch einmal pro Jahr eine Filiale. Wir können Geschäftsstellen, die kaum noch genutzt werden, nicht künstlich aufrecht erhalten.

Prof. Liane Bucholz im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL. Foto: Jürgen Bröker

Prof. Liane Bucholz im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL. Foto: Jürgen Bröker

Was passiert mit älteren Kunden, die nicht einfach in die nächste Stadt zur Sparkasse fahren können?
Die müssen nicht befürchten, dass wir sie sitzen lassen. Unsere Institute bringen Bargeld auch Zuhause vorbei. In einigen Orten gibt es Vereinbarungen mit der Caritas, so dass Altersheime an bestimmten Tagen mit Bargeld versorgt werden. Welche andere Bank macht denn so etwas?

Wird die Online-Beratung per Videochat in Zukunft Banktermine ersetzen?
Wir haben in einigen Städten gute Erfahrungen mit der Videoberatung gemacht und ich habe mir das in Dortmund selbst angesehen. Eine Kundin war am Arbeitsplatz und brauchte wegen eines Immobilienangebots eine Beratung, weil sie sich rasch entscheiden musste. Innerhalb von 20 Minuten hatte sie auf diesem Weg eine Finanzierungszusage. Es wird auch in Zukunft keine reine Digitalisierung der Kreditvergabe geben, aber es ist wichtig, dass wir in solchen Fällen schnell und flexibel reagieren.

Zwischen Basisversorgung und digitalen Innovationen – wo liegt die Zukunft?
In vielen Lebensbereichen brauchen Kunden keine Filiale mehr. Aber es wird noch hinreichend viele Gründe und Themen geben, bei denen die persönliche Begegnung einen besonderen Wert hat, ob bei der Beratung zur Altersvorsorge oder bei einer Baufinanzierung. Das merken wir übrigens auch daran, dass gerade junge Kunden gern und zuverlässig in die Filiale kommen, wenn sie zu einem Termin eingeladen werden.

"In vielen Lebensbereichen brauchen Kunden keine Filiale mehr", sagt Prof. Liane Bucholz Foto: Jürgen Bröker

„In vielen Lebensbereichen brauchen Kunden keine Filiale mehr“, sagt Prof. Liane Bucholz Foto: Jürgen Bröker

Projekte, Vereine und Einrichtungen in Westfalen profitieren von der Unterstützung durch die Sparkassen. Ist dieses Engagement auch in Zukunft gesichert?
Im vergangenen Jahr haben die Sparkassen eine halbe Milliarde Euro an Steuern, Spenden oder Stiftungen an die Region zurückgegeben und damit soziale Projekte, Kultur oder auch den Sport gefördert. Wie die Spenden verteilt werden, sieht vor Ort ganz unterschiedlich aus – ob über Kundenbeiräte, Ausschüsse oder in anderen gewachsenen Formen. Was mich in Westfalen immer wieder beeindruckt, ist das bürgerschaftliche Engagement, gerade auch bei den kleinen Vereinen. Zum Beispiel, wenn eine Puppenbühne mit ihrem Spiel das Plattdeutsche am Leben erhält. Als Sparkassen tragen wir durch unsere Unterstützung für solche Projekte zum Erhalt der regionalen Identität bei. Sie arbeiten und wohnen nun in Münster.

Wie haben Sie sich eingelebt?
Hervorragend. Ich bin vor einem Jahr mit meinem Mann aus Berlin hierher gezogen und wir vermissen die Großstadt überhaupt nicht. Wir wohnen mitten in der Stadt und haben die Gegend mit dem Fahrrad erkundet. Ich habe mir auch schon einen Feldstecher zugelegt, denn ich will in diesem Jahr beobachten, wie die Störche auf den Rieselfeldern eintrudeln. Wenn es soweit ist, bekomme ich eine E-Mail-Nachricht vom Naturschutzbund. Ich bin gut vorbereitet.

Interview: Annette Kiehl und Jürgen Bröker

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