
„Wir geben die Zukunft auf“
Nicht nur Agrardiesel ist von den Sparplänen der Bundesregierung betroffen, auch die Forschungslandschaft. So soll die geplante Förderung im Bereich der Batterieforschung in Höhe von rund 158 Millionen Euro gestrichen werden. Was das für die Batterieforschung in Münster und bundesweit bedeutet, erklärt Prof. Dr. Martin Winter, Leiter des MEET Battery Research Centers an der Universität Münster.
Herr Prof. Winter, was bedeutet die Streichung der Förderung für die Batterieforschung in Münster?
Hier geht es nicht nur um Münster, sondern um Deutschland. Werden die Pläne so umgesetzt, wird es bundesweit sehr weh tun. Wir sind in Sachen Batterieforschung innerhalb kürzester Zeit aus der Landesliga auf einen Champions League Platz aufgestiegen und stehen international extrem gut da – auch dank einer konsequenten, strukturierten und nachhaltigen Förderpolitik.
Wo liegt jetzt das Problem?
Wir haben zusätzlich zu den enorm gewachsenen Kompetenzen inzwischen eine große Infrastruktur aufgebaut in Form von Gebäuden und Geräten. Vieles davon können wir ohne Förderung in Zukunft nicht mehr warten, reparieren oder erneuern. Sogar die Nutzung ist fraglich, weil es in Zukunft das Personal dazu nicht mehr geben wird. Und wir werden auch die Energie und die Hilfsstoffe, die für den Betrieb der Anlagen notwendig sind, nicht mehr kaufen können. Es wären also Investitionsruinen. Da werden Milliarden Euro vernichtet, um 158 Millionen Euro zu sparen. Das ist volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich ein großer Schaden.

Prof. Dr. Martin Winter. Foto: FZ Jülich
Warum sind Sie so pessimistisch?
Ich mache mir große Sorgen um den Batteriestandort Deutschland. Die meisten Projekte sind nur möglich, weil sie gefördert werden. Man muss sich das so vorstellen: Wir haben einen großen Topf, in den Geld gefüllt wird. Über einen Zeitraum von drei Jahren wird dort Geld für ein bestimmtes Projekt entnommen, dann ist der Topf leer. Wird nicht nachgefüllt, können auch keine neuen Projekte gestartet werden. An diesem Punkt stehen wir jetzt. Werden die Sparpläne wie vorgesehen umgesetzt, können wir die laufenden Projekt zwar zu Ende führen, aber spätestens in zwei Jahren ist der Topf leer.
Und wenn die Maßnahmen nur für ein oder zwei Jahr ausgesetzt werden?
Dann entsteht dennoch ein immens großer Schaden. Lücken werden aufreißen, die wir nicht mehr stopfen können. Welche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen wir denn noch nach Deutschland holen oder hier halten, wenn jetzt ein offensichtliches Desinteresse an diesem Forschungsgebiet besteht: Der größte Mittelgeber der Elektromobilitätsforschung steigt aus. Auch für junge Menschen, die überlegen, in diesen Fachrichtungen zu studieren, ist das ein fatales Signal. Warum sollten sie ohne Perspektive nun noch in unseren Bereich gehen?
Welche Folgen erwarten Sie konkret für Münster?
In den letzten 16 Jahren haben wir es geschafft, in Münster und Umgebung ein Forschungsökosystem aufzubauen, das seinesgleichen sucht. Etwa 500 Kolleginnen und Kollegen arbeiten an den Themen Batterieforschung und Elektromobilität. Ein großer Teil wird nicht zu halten sein, weil sie über die Projektförderung finanziert werden. Nach Ende ihrer Projekte geht ein großer Teil normaler Weise in die Industrie. Wir sind damit einer der größten Förderer von jungen Talenten in Deutschland. Diese Pipeline für junge Talente wird verschwinden. Nicht nur, weil die Mittel nicht mehr fließen, sondern auch, weil die Reputation in den Keller geht. Und: Wir haben Firmen bei uns aus Asien, aus den USA und aus Deutschland, die in Münster Forschungslabore eingerichtet haben. Auch das wird es nicht mehr geben.

Die Knopfzellen beim Stresstest im Zyklisierlabor. Foto: Jürgen Bröker
Was wird aus der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB, die gerade in Münster aufgebaut wird?
Die Errichtung der Fraunhofer FFB wird wohl weiter gehen. Aber die FFB muss ja auch betrieben werden. Auch das wird über Fördermittel laufen. Und damit muss auch die FFB ihre Aufgaben zusammenstreichen. Sie wird dann viel weniger Ideen bekommen und wissenschaftlichen Input bekommen.
Kommen die Sparpläne der Bundesregierung für die Forschung überraschend?
Ja, wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass es mehr Geld in diesem Bereich geben wird. Schließlich gilt es gerade jetzt, die Elektromobilität und die Batterieproduktion weiter hochzufahren. Es sollen ja auch Batteriefrabriken in Deutschland gebaut werden. Aber mit welchen Leuten, wenn jetzt gespart wird und woher sollen die Ideen Technologieentwicklungen dafür kommen? Es wird gekürzt bei einer Technologie mit hoher Bedeutung und Marktzuwächsen von rekordverdächtigen 37 Prozent pro Jahr. Und Deutschland sagt, das interessiert uns nicht. Wir geben damit die Zukunft auf.
Interview: Jürgen Bröker