In der Theaterwerkstatt Bethel entwickeln Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen und mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen gemeinsam ein Theaterspiel. Foto: Theaterwerkstatt Bethel
07.08.2024

„Wir sind alarmiert“

Der Verband Soziokultur NRW warnt vor Sparmaßnahmen bei den Bundeskulturfonds. Kürzungen von durchschnittlich 50 Prozent sind vorgesehen.

Die geplanten Reduzierungen im Bundeshaushalt 2025 treffen die freie Kulturszene und die soziokulturellen Zentren in Westfalen und darüber hinaus hart. Betroffen von den Plänen sind die Bundeskulturfonds. Dazu zählen Fonds für Kunst, Soziokultur, Musik, Amateurmusik, Darstellende Künste, Literatur, Übersetzer und Festival-Fördererung. Im Durchschnitt verlieren sie die Hälfte ihres Etats. Der Amateurmusikfonds wird sogar auf ein Fünftel reduziert. „Wir sind alarmiert“, sagt Heike Herold, Geschäftsführerin des Verbands Soziokultur NRW. Sie erklärt: „Die Zentren, die häufig in mehreren Kultursparten aktiv sind, beantragen Förderungen in unterschiedlichen Fonds. Nicht nur im Fonds Soziokultur, sondern je nach Projekte beispielsweise auch aus dem Musikfonds.“ Die allermeisten Zentren erhielten keine institutionelle Förderung, die unabhängig von Projekten fließt, sondern seien von einzelnen Fördertöpfen abhängig.

Heike Herold ist Geschäftsführerin die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren in NRW. 83 Mitgliedszentren sind dort organisiert. Foto: Soziokultur NRW

Heike Herold ist Geschäftsführerin die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren in NRW. 83 Mitgliedszentren sind dort organisiert. Foto: Soziokultur NRW

Der Fonds Soziokultur fällt laut dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung von 5,25 Millionen Euro im Jahr 2024 auf 2,9 Millionen Euro in 2025. Insgesamt umfasst der Haushalt 480 Milliarden Euro. Heike Herold ist erstaunt, dass gerade hier gespart werden soll: „Kulturstaatsministerin Claudia Roth betont die wichtige Arbeit der Soziokultur in Sachen Demokratieförderung. Um das leisten zu können benötigen wir professionelle Arbeitsbedingungen mit einer angemessenen Bezahlung.“ Das Engagement in der Soziokultur und in der freien Szene sei groß, beobachtet sie. „Wir machen Kultur für Bürgerinnen und Bürger in den Stadtteilen und auch im ländlichen Raum. Wir bringen in den Zentren Menschen zusammen, wecken kulturelles Interesse und leisten immer wieder eine tolle künstlerische Arbeit.“ Brisant sind die aktuellen Kürzungspläne nicht nur angesichts der Steigerungen der Betriebs- und Personalkosten, die die soziokulturellen Zentren stemmen müssen. Auch der Kulturhaushalt des Landes NRW wurde 2024 um 2,3 Prozent gekürzt. Abgefedert werden die Einsparungen in diesem Jahr noch durch den Zugriff auf Rücklagen. Die Aussichten sind hier ungewiss. 

Große Vielfalt in der Soziokultur-Szene

Die Vielfalt der soziokulturellen Zentren in Westfalen ist groß und reicht von Einrichtungen wie der Theaterwerkstatt Bethel in Bielefeld, die Menschen verschiedener Hintergründe in die Theaterarbeit einbezieht, über den Bahnhof Langendreer in Bochum, eines der ältesten und größten Zentren in NRW, bis zum Begegnungszentrum Cuba in Münster, das seit mehr als drei Jahrzehnten Heimat von Vereinen und Initiativen aus Beratung, Bildung, Kultur, Musik und Kunst ist. Eine Kürzung der Kulturförderung würde nicht nur die Arbeit solcher Zentren gefährden, sagt Heike Herold vom Verband Soziokultur NRW. Auch freie Künstlerinnen und Künstler wären betroffen, wenn Einrichtungen in Zukunft deutlich knapper kalkulieren und Projekte streichen müssten. Bei allen negativen Nachrichten verweist sie auf die Kreativität und das Engagement in der Szene und betont: „Es gibt eine große Solidarität und eine enge Vernetzung in der Soziokultur. Das hilft gerade in schwierigen Zeiten.“

Annette Kiehl, wsp

Lesen Sie auch im Bereich "Kultur"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin