23.10.2012

Wirtschaftsfaktor Wandern: Der Rothaarsteig hat als erster „Premiumweg“ einen Trend gesetzt

Westfalen (wh). Wandern gilt heute als Naturerlebnis für Genießer und als Wirtschaftsfaktor für die Region Westfalen. Ein Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist der Rothaarsteig. Mit der Eröffnung des bundesweit ersten "Premiumweges" wurde dort 2001 der Trend zum "Neuen Wandern" gesetzt.
Zwar existierte der Steig im Rothaargebirge an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Hessen im Wesentlichen schon vorher. Durch die Auszeichnung als "Premiumweg" wurde er jedoch zum Erfolgsmodell, das dem Sauer- und Siegerland eine zusätzliche touristische Perspektive bescherte. Zahlreiche Wanderreviere sind diesem Konzept inzwischen gefolgt und mehr als 100 Wege in mehreren europäischen Ländern tragen das "Premium"-Zertifikat des Deutschen Wanderinstituts in Marburg.
Etwa die Hälfte der Deutschen sind heute unterwegs in der Natur, darunter zunehmend junge Menschen, zeigen Umfragen. Etwa zehn Milliarden Euro geben sie für die sportliche Erholung pro Jahr aus " zum Beispiel für die Wanderausrüstung sowie für Übernachtungen und Verpflegung unterwegs. Von diesem Trend wollen auch in Westfalen immer mehr Wanderreviere profitieren. Darunter sind der Kreis Höxter mit dem Tourismusprojekt "Erlesene Natur", der Hermannsweg und auch das Ruhrgebiet, das sich ab 2014 mit dem "Halden-Hügel-Hopping" als neue Wanderregion präsentiert.
Mit familienfreundlichen Wegen, Attraktionen am Wegesrand und einer nach psychologischen Erkenntnissen gestalteten Landschaft werden die "Neuen Wanderer" umworben. So führt der als "Weg der Sinne" betitelte Rothaarsteig nicht über längere Strecken geradeaus, sondern schlängelt sich abwechslungsreich über Bäche, kreuzt Lichtungen oder führt auch mal über eine Hängebrücke. Ein Barfußareal und Skulpturen bieten Anregung und am Kyrillpfad können Besucher auf Stiegen über die vom Sturm entwurzelten Bäume klettern.
Wer eine individuelle Betreuung wünscht, kann die zertifizierte Wanderführerin Heidi Dickel engagieren. Sie begleitet oft allein reisende Frauen am Rothaarsteig, Gruppen buchen bei ihr eine Wanderung mit Entspannungsangeboten und wer mag, wird von der Bad Berleburgerin unterwegs mit Sekt und Schnittchen versorgt. "Im Mittelpunkt steht das einfache Naturerlebnis. Die meisten Wanderer wollen gar nicht den großen Luxus, sondern suchen die Erholung vom Alltag in der Stadt", hat sie jedoch beobachtet.
Dieser Gedanke stand im Mittelpunkt der Planungen des Rothaarsteigs als "Premiumweg". Der Marburger Natursoziologe Dr. Rainer Brämer fand in Studien heraus, dass mit einer zunehmenden Technisierung des Alltags das Bedürfnis nach der Natur wächst und dass sich dieses Erlebnis durch eine geschickte Wegplanung inszenieren lässt. Gemeinsam mit dem Sauerland-Tourismus-Chef Thomas Weber plante er auf Basis dieser Erkenntnisse den Rothaarsteig.
Die Gastwirte entlang des Wegs haben sich auf den Trend eingestellt. Als zertifizierte "Qualitätsbetriebe" beraten sie ihre Gäste bei der Tourenplanung, transportieren Gepäck und trocknen nasse Jacken in ihren Kellern. Regionale Küche, eine umfangreiche Weinkarte und diverse Kaffeespezialitäten zählen selbst in einfachen Gasthäusern zum Standardangebot.
Rund 1,5 Millionen Menschen sind pro Jahr auf dem 154 Kilometer langen Weg zwischen Brilon und Dillenburg im Westerwald unterwegs. Das bedeutet für die 111 zertifizierten Hotels und Gasthöfe rund 35 Millionen Euro Umsatz allein durch Übernachtungsgäste und 800 zusätzliche Arbeitsplätze, berichtet der Förderverein Rothaarsteig, der von der regionalen Wirtschaft und einem Wanderausstatter getragen wird.
Um im Wettbewerb um die "Neuen Wanderer" nicht von anderen Regionen abgehängt zu werden, plant der Verein ständig neue Wege. Aktuell sind dies die "Extra-Touren". Mit überschaubaren Strecken über acht bis 20 Kilometer und einer günstigen Anbindung an Dörfer und Gasthäuser sollen sie vor allem Tagesbesuchern ein Wandervergnügen ohne großen Planungsaufwand ermöglichen.

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