17.11.2022

WM-Boykott ja oder nein?

Fernseher an oder aus? Vor dieser Frage stehen die Fußballfans, wenn ab Sonntag (20.11.) die FIFA-Weltmeisterschaft aus Katar in alle Welt übertragen wird. Die Meinung in der Region ist geteilt.

Martin Heil von der Schalker Faninitiative hat diese Frage längst für sich beantwortet. „Bei mir bleibt der Fernseher aus. Ich boykottiere die Weltmeisterschaft“, sagt Heil. Er führt gleich eine ganze Reihe Gründe an, die ihn zum Boykott der WM veranlassen: die undurchsichtige Vergabe des Turniers, die schwierige Menschenrechtslage für die LGBTQ-Gemeinschaft, für Frauen und für die Arbeiter auf den WM-Baustellen, nicht zu vergessen Umweltaspekte. „Eine Weltmeisterschaft in der Wüste, in der die Stadien herunter gekühlt werden, während die Welt um die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels kämpft, das geht gar nicht“, sagt Heil.

Wie viele anderer Fanorganisationen hat sich die Schalker Faninitiative der Bewegung #BoycottQuatar2022 angeschlossen. Schon bei den letzten Bundesligaspielen vor dem Weltturnier waren in zahlreichen Stadion Plakate und Banner mit Boykottaufrufen in den Fanblocks hochgehalten worden. Statt die WM zu schauen, sollen die Menschen lieber selbst kicken gehen, findet die Initiative „#Back2Bolzen“, an deren Gründung auch einige Schalkefans beteiligt waren. „Man kann auch mal wieder auf die Fußballplätze im Amateurbereich oder zum Frauenfußball gehen, die können jede Unterstützung gebrauchen“, sagt Heil. Am besten poste man seine Aktion unter #Back2Bolzen, damit möglichst viele Menschen davon mitbekämen.

Schuhfabrik Ahlen verzichtet auf Public Viewing

In der Schuhfabrik Ahlen, einem beliebten Veranstaltungsort, spülten Public-Viewing-Veranstaltungen zu Fußballgroßereignissen in den vergangenen Jahren einiges Geld in die Kasse. Dennoch haben sich die verschiedenen Gremien darauf geeinigt, in diesem Jahr keine Leinwand aufzustellen. Man finde einfach, dass die Gebote der sportlichen, politischen und ökonomischen Fairness mit der Vergabe der WM an Katar verletzt wurden, so Theo Heming von der Schuhfrabrik. „Wir hoffen, dass die Fifa merkt, dass nicht so viele Menschen wie sonst üblich bei diesem Wahnsinn zusehen“, sagt Heming weiter.

Ähnlich sieht das Patrick Haslinde vom Borussia Dortmund-Fanclub „Totale Offensive BVB 09 e.V.“: „Ich hoffe, dass sich viele Menschen am Boykott beteiligen. Nur so kommt das auch bei den Sponsoren an.“ Ihm selbst fällt es ziemlich leicht, auf die Spiele zu verzichten. Mit der Nationalmannschaft kann er schon seit einigen Jahren nichts mehr anfangen, sagt er. In der Boykottsache sind sich die sonst so rivalisierenden Fangruppen aus Schalke und Dortmund weitgehend einig. In den vergangenen Wochen haben sie an den Spieltagen der Fußballbundesliga sogar ein Banner mit der Aufschrift „#BoycottQuatar2022“ untereinander ausgetauscht.

Wenig Vorfreude auf Turnier

Natürlich gibt es auch Fans, die das Sportspektakel in Katar trotz aller Kritik schauen werden. Zu ihnen gehört auch Professor Bernd Gröben, Sprecher der Abteilung Sportwissenschaft an der Universität Bielfeld. „Ich werde schauen“, sagt er. Gröben findet die Haltung „man darf das nicht sehen“ falsch. Vor allem, weil Katar die moralischen Bedenken nicht exklusiv habe. Auch andere WM- oder Sportveranstaltungsorte – zuletzt Russland – oder die Olympischen Spiele in Peking standen in der Kritik. Wichtig sei es, sich mit den kritischen Fragen auseinanderzusetzen und sich eine eigene Meinung zu bilden, und dann zu entscheiden, ob man die Spiele sehen möchte oder nicht.

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Offensichtlich ist die Vorfreude auf das Turnier in Deutschland aber nicht besonders groß. Wie eine Umfrage der Voting-App „FanQ“ zeigt, an der auch die Fachhochschule Dortmund beteiligt war, geben kurz vor dem Start des Turniers fast 85 Prozent der Befragten an, dass ihre Vorfreude im Vergleich zu vorherigen Weltmeisterschaften „viel kleiner“ sei. Mehr als jeder Zweite (54,9 Prozent) will sich demnach kein einziges Spiel anschauen, 17,3 Prozent wollen immerhin die Spiele mit deutscher Beteiligung sehen, so die FH Dortmund.

Jürgen Bröker/wsp

Wer sich während der WM-Spiele etwas anderes vornehmen möchte: Alternativen hat die Initiative #BoycottQuatar2022 auf ihrer Website hier aufgelistet.

In der Region gibt es zudem Veranstaltungen zur Fußball-WM. Unter anderem in Münster am Mittwoch, 23. November 2022 um 19:30 Uhr in der Trafostation. Dort heißt es bei einer Podiumsdiskussion vom Fanprojekt „FANport“ Münster mit der Christlichen Initiative Romero und Dietrich Schulze-Marmeling von der Initiative #BoycottQatar2022: Moral im Abseits – Moderner Fußball und die Männer-WM in Katar.

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