Die Künstlerin Heike Fischer-Nagel mit der Skulptur „Wundmal“ im Kurpark von Bad Sassendorf. Foto: Leader-Region Lippe-Möhnesee
10.04.2024

„Wundmal“ im Kurpark

In Bad Sassendorf ist ein Mahnmal für Kurkinder eingeweiht worden. Es erinnert an Leid und Misshandlungen, die tausende Kinder dort in sogenannten Erholungsheimen erlitten haben.

Die Bronzeskulptur „Wundmal“ der Künstlerin Heike Fischer-Nagel, die selbst ein sogenanntes Verschickungskind war, zeigt kindliche Gesichter und Häuser, die miteinander verschmelzen. Das Werk steht nun als Mahnmal und Erinnerungsort im Zentrum des Kurparks. Eine Informationstafel klärt über die Kinderkuren auf.

Die Geschichte der Kinderkuren in Bad Sassendorf reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. In den ersten Jahrzehnten wurden bei den Aufenthalten häufig Krankheiten behandelt, die durch die Industrialisierung verursacht wurden. In den 1950er und 60er Jahren stand dann das „Aufpäppeln“ im Mittelpunkt der Kuren, zu denen an die 5000 vier- bis 14-jährige Kinder pro Jahr vor allem aus dem Ruhrgebiet, aber auch aus dem gesamten Bundesgebiet geschickt wurden. Viele berichten von Zwang und Misshandlung durch Schwestern und Ärzte – bis hin zum sexuellen Missbrauch. Manche leiden bis heute unter den Erlebnissen.

„Baustein in der Aufarbeitung“

Das Mahnmal steht zusammen mit einer Infotafel vor dem Gradierwerk. Foto: Jeanette Metz

Das Mahnmal steht zusammen mit einer Infotafel vor dem Gradierwerk. Foto: Jeanette Metz

„Das Mahnmal ist ein wichtiger Baustein in der Aufarbeitung des Themas Kinderkuren. Für die Betroffenen ist es wichtig, dass nun ein Ort vorhanden ist, der zum Erinnern und zum Austausch einlädt“, sagt Bad Sassendorfs Bürgermeister Malte Dahlhoff. Die Gemeinde war zwar nicht unmittelbar an der Durchführung der Kinderkuren beteiligt, profitierte aber durch den Betrieb der Kurkliniken, bemerkt er mit Blick auf die Vergangenheit „Daher habe ich im Namen der Gemeinde die Betroffenen um Vergebung gebeten. Wir zeigen, dass dieses Thema zu unserer Geschichte gehört und setzen uns dafür ein, dass daraus Lehren für die Zukunft gezogen werden.“

Bei der Einweihung des Mahnmals vor Ort waren neben Gemeindevertretern und Förderern auch Betroffene. Detlef Lichtrauter, Vorsitzender des Vereins Aufarbeitung Kinderverschickungen NRW, ist zufrieden, dass es in Bad Sassendorf, einem der ehemals größten Kinderkurorte in NRW, nun eine Erinnerungsstätte gibt. „Wir erleben, dass wir hier gesehen und gehört werden. Das Mahnmal steht an exponierter Stelle und wurde von den Betroffenen in großer Dankbarkeit angenommen“, sagt Lichtrauter. Den ehemaligen Kurkindern, von denen viele heute im Seniorenalter sind, biete dieser Ort eine Möglichkeit, sich mit dem Schrecken zu versöhnen, den sie in Bad Sassendorf erlebt haben. 

aki, wsp

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin