Kulturerbe an der Bundesstraße: Die Telgter Kraftfahrerkapelle wurde 2020 unter Denkmalschutz gestellt und ein Jahr später vom LWL als "Denkmal des Monats" ausgezeichnet. Foto: LWL / Hofmann
09.03.2022

„Zwei-Klassen-Denkmalschutz“

Verbände und Vereine, Kommunen und Parteien haben Stellung zum neuen Denkmalschutzgesetz bezogen. Am 18. März findet im NRW-Landtag eine Anhörung zur Gesetzesnovelle von Bau-Ministerin Ina Scharrenbach statt. Von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz kommt ein „Hilferuf“.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) hat sich im Vorfeld des Termins mit einem „Hilferuf zum Schutz der nordrhein-westfälischen Denkmäler“ an Ministerpräsident Hendrik Wüst gewandt. Die Stiftung befürchtet, dass durch „einen unausgereiften Gesetzestext“ das kulturelle Erbe „weitgehend schutzlos“ werde. Ihr Schutz sei in der aktuellen politischen Situation jedoch besonders wichtig. „Gerade die denkmalgeschützten Bauten in NRW zeugten von den Nachkriegs-Errungenschaften Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung“, so Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Er appelliert an Wüst: „Bitte lassen Sie nicht zu, dass das Ansehen Nordrhein-Westfalens als Kultur- und Wissenschaftsstandort durch eine nicht ausgereifte Neufassung des Denkmalschutzgesetzes unwiederbringlichen Schaden erfährt.“

In Nordrhein-Westfalen sind nur 1,5 Prozent der Bausubstanz denkmalgeschützt. Bundesweit sind es drei Prozent. Die DSD befürchtet, dass das Gesetz „zu großem Verlust an Denkmalsubstanz“ führe, heißt es in der Stellungnahme der Stiftung für die Ausschusssitzung. Ausdrücklich spricht sich die DSD gegen einen „Zwei-Klassen-Denkmalschutz“ aus. Diese Kritik zielt auf die Absicht der Landesregierung, dass größere Kommunen in Zukunft in Denkmalschutzverfahren selbstständig entscheiden dürfen. Städte und Gemeinden, die weniger Personal für den Bereich Denkmäler haben, treffen Entscheidungen weiterhin „im Benehmen“ mit den Denkmalfachämtern. 

Gesetz könnte zu Interessenkonflikten führen

Die Stadt Unna, Sitz der Unteren Denkmalbehörde mit zwei Mitarbeiterinnen, bestätigt in ihrer Stellungnahme zum Gesetz diese Befürchtung. Das Fachwissen und die Unabhängigkeit der Denkmalfachbehörden von örtlichen, politischen und wirtschaftlichen Interessen sei „von immenser Wichtigkeit, um die Denkmäler angemessen bewerten und ausreichend schützen zu können“, schreibt Jens Toschläger, Erster Beigeordneter der Kreisstadt. Er befürchtet, dass das Gesetz „zu deutlichen Interessenkonflikten“ führen wird. An deren Ende sei zu erwarten, „dass sich im kommunalpolitischen Alltag die kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen gegenüber dem langfristigen Erhalt historischer Bausubstanz durchsetzen wird“.

Begrüßt wird die Gesetzesnovelle von den fünf Bezirksregierungen in NRW in einem gemeinsamen Schreiben. Diese sei praxisorientiert, trage zur Verwaltungsvereinfachung bei und gebe den Denkmalbehörden mehr Flexibilität, heißt es darin. Für „überflüssig“ hält der Landkreistag NRW die geplante Hervorhebung von Klimaschutz, Wohnungsbau und Barrierefreiheit beim Denkmalschutz. Energetische Belange seien in der Denkmalpflege bereits jetzt ein „selbstverständliches Thema“. Denkmalpflegerinnen und -Pfleger vermittelten vor Ort zwischen verschiedenen Anliegen wie Barrierefreiheit, Brandschutz und Ressourcenschutz. Die Aufnahme von Belangen des Wohnungsbaus in das Denkmalschutzgesetz, sei ein „fachfremder Aspekt“. Es sei zu befürchten, dass damit erhaltenswerte Bau- oder Bodendenkmäler dem Wohnungsbau weichen müssen, so der Landkreistag.

Neben zahlreichen Gruppen, darunter Kirchen, Parteien, Restauratoren und die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst, äußerten sich auch die Landschaftsverbände zum Gesetz. Sie sind Sitz der Denkmalfachämter. Ihre Kritik, dargelegt auf 21 Seiten, ist umfassend: „Die nun vorgesehene Neufassung des Gesetzes ist weder notwendig, noch ist sie begründet.“ Durch neue Regelungen solle die gute Zusammenarbeit mit allen am Prozess beteiligten Behörden aufgegeben werden. Positive Punkte im Bereich der Bodendenkmalpflege könnten nicht über zahlreiche Kritikpunkte hinwegtäuschen, heißt es in der Stellungnahme. 

Die Rodentelgenkapelle in Arnsberg-Bruchhausen stand kurz vor dem Abriss. Durch ehrenamtliches Engagement und durch Unterstützung mehrer Stiftungen und Förderer konnte das fast 500 Jahre alte Bauwerk restauriert und gerettet werden. Foto: Klein und Neumann KommunikationsDesign

Die Rodentelgenkapelle in Arnsberg-Bruchhausen stand kurz vor dem Abriss. Durch ehrenamtliches Engagement und durch Unterstützung mehrer Förderer konnte das fast 500 Jahre alte Bauwerk gerettet werden. Foto: Klein und Neumann KommunikationsDesign

Kritisiert wird vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eine ungleiche Behandlung von Denkmaleigentümern, da das Gesetz für Kirchen und Religionsgemeinschaften Sonderregelungen und Privilegien vorsieht, wenn es um einen möglichen Denkmalschutz ihrer Gebäude geht. Ebenso sei die Einführung von „fachfremden Belangen des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit nicht notwendig“. Bereits in seiner bisherigen Form sei das Denkmalschutzgesetz NRW auf diese gesellschaftlichen Herausforderungen eingestellt. Seit mehr als 130 Jahren hätten die Denkmalfachämter eine Kompetenz aufgebaut, um zu Denkmalfragen, aber auch ihrer zeitgemäßen Nutzung zu beraten. Diese werde ignoriert.

LWL und LVR kritisieren darüber hinaus praxisferne und unklare Regelungen, die zu Rechtsunsicherheiten führen und die Verfahrensdauer verlängern. Die Kommunalverbände fordern den Landtag daher auf, den Gesetzesentwurf nicht weiter zu beraten. Sie empfehlen, einen neuen Prozess zu starten, in dem neu über sinnvolle Neuerungen diskutiert werden könne – mit Beteiligung der Institutionen, die mit Denkmalschutzverfahren zu tun haben.

aki, wsp

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