
Zwischen Brüssel und Meschede
Wenn es um die Frage geht, wie der Zucker in den Kaffee oder das Ketchup auf die Portion Pommes am Imbiss kommt, dann hat die Europäische Union daran einen wichtigen Anteil – und damit auch der südwestfälische EU-Parlamentsabgeordnete Dr. Peter Liese.
Liese lebt und arbeitet seit rund 30 Jahren zwischen Südwestfalen, Brüssel und Straßburg. Bei der EU-Wahl am 9. Juni tritt er als Spitzenkandidat der CDU in Nordrhein-Westfalen an. Der Mediziner, 1965 in Olsberg geboren, konzentriert sich auf die Themen Klima, Gesundheit und Wirtschaft. Er setzt sich für Kompromisse und pragmatische Lösungen ein. „Es ist mir wichtig, Entscheidungen nicht nur anhand abstrakter Informationen zu treffen, sondern konkret in meiner Heimatregion zu schauen, wie sich Gesetze und Richtlinien auswirken.“ So setzte sich Liese zuletzt erfolgreich dafür ein, das Verbot von Bleimunition beim Vogelschießen auf Schützenfesten zu verhindern. Und Ende April stand eben das Thema Verpackungsmüll auf der Agenda. „Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, Papiertütchen für beispielsweise Zucker oder Salz zu verbieten. Das wäre aus mehreren Gründen nicht sinnvoll gewesen; unter anderem, weil Papier ein nachhaltiger Rohstoff ist.“ Auch die Bierbrauer hatten Alarm geschlagen, denn die Richtlinie sah in ihrer ursprünglichen Fassung vor, den Luftanteil in Getränkekästen zu reduzieren. Als Konsequenz hätten Millionen von Kästen, die im Umlauf sind, vernichtet werden müssen. Ähnliches galt für die typischen Camembert-Holzdosen, die den EU-Plänen ebenfalls beinahe zum Opfer gefallen wären. Gemeinsam mit weiteren EU-Parlamentarierern setzte sich Liese für Änderungen und Ausnahmen der Verpackungsverordnung ein. Schließlich wurde ein Kompromiss beschlossen. So werden Kleinstverpackungen aus Plastik, wie diese zum Beispiel für Ketchup und Mayonnaise verwendet werden, verboten. Die Papiertütchen dürfen aber bleiben.
Auswirkungen von EU-Politik in der Region erklären
Liese ist es wichtig, die Auswirkungen von EU-Verordnungen vor Ort in der Region zu erklären. „Die Leute merken dann, dass es um Dinge geht, die sie betreffen“, sagt er. Davon sei auch die Zukunft der Industrie abhängig. „Es gibt zahlreiche exportabhängige Unternehmen in Westfalen. Die EU-Politik muss besser darauf achten, dass diese Rückenwind bekommen.“ Der EU-Abgeordnete warnt vor allem aber vor den Auswirkungen einer europafeindlichen Politik, mit der gerade rechtsextreme Parteien werben. „Wenn die EU zerfallen sollte, wäre das eine Katastrophe. Gerade für unsere Region, die durch den starken Außenhandel von offenen Grenzen ohne Zoll und Handelsbarrieren abhängig ist.“
Bei der Europawahl werden alle fünf Jahre die Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt. Wir blicken aus westfälischer Perspektive auf die Wahl am 9. Juni. Hier geht es zur Serie „Westfalen wählt Europa“.
Seit drei Jahrzehnten pendelt Liese zwischen Meschede und den Parlamentssitzen in Brüssel und Straßburg. Er ist dort Sprecher der EVP-Fraktion für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Er geht mit Elan und Ehrgeiz in den Wahlkampf. „Ich habe für den Emissionshandel gekämpft, um den Klimaschutz nach vorn zu bringen. Nun muss dieser so umgesetzt werden, dass Westfalen ein Industriestandort bleiben kann, zum Beispiel mit dem ersten klimaneutralen Zementwerk in Geseke. Das möchte ich begleiten“, sagt Liese. Auch die Themen Arzneimittelknappheit und Medizinprodukte stehen auf seiner Agenda: „Da geht es zum Beispiel um Herzkatheder für Kinder. Hier sind die Regulierungsvorgaben von Seiten der EU so streng, dass diese Produkte praktisch vom Markt verschwinden. Als Arzt, der selbst in der Kinderklinik in Paderborn gearbeitet hat, ist es mir wichtig, hier praktikable Lösungen zu finden.“
Ob Bleimunition, Papiertütchen oder Herzkatheder – die Verhandlungen seien mitunter eine Sisyphusarbeit, bemerkt der EU-Abgeordnete und sagt: „Manchmal qualmt mir da auch der Kopf. Dann bin ich froh, wenn ich wieder nach Hause komme, mit den Menschen dort spreche oder auch mal in die Natur gehe. Da kann ich durchatmen.“
Interview: Annette Kiehl, wsp