Fachhochschulen dürfen künftig eigenständig Doktorgrade verleihen. Foto: Thomas Kölsch / pixelio.de
10.11.2022

Zum Doktor an der Fachhochschulen

Das NRW-Wissenschaftsministerium wertet die Fachhochschulen auf. Künftig dürfen sie eigenständig Doktorgrade verleihen. In der Region gibt es ein geteiltes Echo.

Auf den ersten Blick ist es eine kleine Veränderungen und doch ist es ein Meilenstein in der Hochschulpolitik: Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft verleiht dem „Promotionskolleg für angewandte Forschung der Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen“ (Promotionskolleg NRW) das eigenständige Promotionsrecht. 21 Fachhochschulen in NRW dürfen künftig Promotionsverfahren durchführen und die Doktorwürde an ihre Studierenden verleihen. „Für uns bedeutet die neue Regelung, dass unsere Forschungskompetenz gewürdigt wird und unsere Studierenden sich jetzt auch direkt und ohne Umwege einer kooperativen Promotion mit einer Universität höherqualifizieren können“, sagt eine Sprecherin der Fachhochschule Südwestfalen gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL.

Die Verleihung des Promotionsrechts an das Promotionskolleg sei ein Meilenstein für die weitere Entwicklung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) in Nordrhein-Westfalen. „Es gibt der anwendungsorientierten Forschung einen zusätzlichen Schub und macht das Studium an einer HAW noch attraktiver. Ich gratuliere dem Promotionskolleg NRW zu diesem Erfolg und bin gespannt auf die ersten eigenständigen Promotionen“, so Wissenschaftsministerin Ina Brandes.

Kooperationsmodell mit Universitäten

Bisher waren Promotionen von Fachhochschulabsolventen nur möglich, wenn sie durch die Fakultät einer Universität begleitet wurden. Doch darin lagen auch Schwierigkeiten. „Zwar gab es auch in der Vergangenheit schon über kooperative Promotionen gute Beispiele für erfolgreiche Projekte mit Universitäten, aber die Lage für die Promovierenden war oft weniger strukturiert und konnte schnell bei personellen Veränderungen in der Partneruniversität prekär werden“, sagt Prof. Dr. Jörg Frochte, Vizepräsident an der Hochschule Bochum. Die Promotionsmöglichkeit über das Promotionskolleg NRW selbst gebe für die angehenden Wissenschaftler einen neuen Rahmen, in dem diese ihre Qualifizierungsphase durchlaufen könnten, so Frochte weiter. „Die hierfür im Promotionskolleg NRW angelegten Strukturen werden es erlauben, eine Promotionsphase in einem attraktiven wissenschaftlich aktiven Umfeld mit einer breiten Vernetzung der Promotionsstudierenden durchzuführen.“


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Die Universitäten stehen der Änderung dagegen eher skeptisch gegenüber. Prof. Dr. Johannes Wessels, Rektor der Westfälischen Wilhelmsuniversität (WWU) Münster, sieht mit der Entscheidung einen „Verlust in der Differenzierung des Hochschulsystems insgesamt“ einhergehen. An der WWU promovieren jährlich die meisten Absolventen an einer westfälischen Universität. Wessels sieht zudem die Gefahr, dass den HAWs insgesamt empfohlen wurde, die Anwendungsorientierung in den Vordergrund zu stellen. „Das steht mindestens in Teilen in Konkurrenz zu den grundsätzlichen Ansprüchen an eine Promotion. Denn sie ist der Nachweis der selbstständigen, vertieften wissenschaftlichen Arbeit. Davon abgesehen: Anwendungsorientierte Forschung ist mitnichten ein Alleinstellungsmerkmal der HAWs.“

Für das bisherige kooperative Promotionsmodell ständen die Universitäten weiter zur Verfügung. „Was auf keinen Fall passieren darf, dass auch in der öffentlichen Wahrnehmung die Promotionsphase zur dritten Stufe des Bologna-Prozesses nach Bachelor und Master verkommt. Die Promotion ist keine simple Ausbildungsqualifikation. Sie ist und bleibt die erste selbstständige wissenschaftliche Arbeit“, sagt Wessels.

Begutachtung erfolgt in acht bis zehn Jahren

An der Hochschule Bochum setzt man darauf, dass durch die neuen Möglichkeiten Forschung und Transfer gestärkt werden. Dort hofft man, dass sich bereits zum Sommersemester 2023 die ersten Promovierenden gemeinsam mit dem Promotionskolleg NRW einschreiben können.

Die Verleihung des Promotionsrechts ist unbefristet, nach acht bis zehn Jahren soll allerdings eine wissenschaftliche Begutachtung erfolgen. Grundlage für die Entscheidung des Ministeriums zur Verleihung des Promotionsrechts ist die positive Beurteilung des Vorhabens durch den Wissenschaftsrat: In seiner Stellungnahme vom 8. Juli 2022 hatte der Wissenschaftsrat festgestellt, dass die Strukturen des Promotionskollegs NRW Promotionen auf universitärem Niveau ermöglichen können. NRW ist nicht das einzige Land, in dem Promotionen an HAWs möglich sind. Auch in u.a. Berlin, Hessen oder Sachsen-Anhalt können Fachhochschulabsolventen promovieren.

jüb/wsp

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