Ein eingespieltes Team: Maurice Eschen mit seinem Assistenzhund Brezel. Manchmal darf der Labrador auch auf dem Rollstuhl mitfahren. Foto: Jürgen Bröker
06.02.2024

Helfer auf vier Pfoten

Assistenzhunde können Türen öffnen, vor Epilepsieanfällen warnen und emotionalen Halt geben. Wir haben das Team „Brezel“ und Maurice Eschen begleitet.

An der Tür zum Büro von Maurice Eschen hängt ein seltsames Schild: „Brezel läuft herum. Bitte klopfen!“, steht da Rot auf Weiß. Dazu ist noch eine Hundepfote abgebildet. Außerdem fällt auf, dass ein dickes Seil an die Türklinke geknotet ist. Hinter der Tür wartet die Auflösung in Form eines eingespielten Teams: Maurice Eschen mit seinem Assistenzhund, dem Labrador-Rüden „Brezel“.

Eschen sitzt in seinem Rollstuhl am Schreibtisch und Brezel liegt lammfromm in seiner Box. Erst auf ein Zeichen von Eschen kommt er heraus, um den Besucher zu begrüßen. Seit knapp vier Jahren sind der Mitarbeiter des Inklusionsamtes Soziale Teilhabe des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe und der Vierbeiner unzertrennlich. Nach mehreren Rückenmarksentzündungen ist Eschen vom vierten Brustwirbel an abwärts gelähmt. Brezel ist sein Assistenzhund und damit Türöffner, Sachenholer, aber auch Spielgefährte, Kumpel und Lebensbegleiter

„Für Brezel ist das ganze Leben ein Spiel“

„Ich habe eigentlich zwei Hunde“, sagt Eschen und lacht. Einer, der ihn ihm Alltag unterstützt, der den Knopf für den Aufzug drückt oder an Bahnhöfen so lange in der Tür steht, bis Eschen die Bahn verlassen hat. Und einer, der so ist, wie die meisten Labradore, verspielt, treu und auf seine Art lustig. Die Arbeit macht dem Vierbeiner offensichtlich Spaß. Schwanzwedelnd lässt er sich die Weste anlegen, um dann seine ganze Aufmerksamkeit Maurice Eschen zu schenken. „Für Brezel ist das ganze Leben ein Spiel. Er freut sich über jede Aufgabe“, sagt Eschen – ganz gleich, ob der Aufzug per Knopfdruck geholt oder die Fernbedienung für den Fernseher apportiert werden soll.

Mit den Pfoten fordert Brezel den Aufzug für Maurice Eschen an. Foto: Jürgen Bröker

Mit den Pfoten fordert Brezel den Aufzug für Maurice Eschen an. Foto: Jürgen Bröker

Sobald der Hund seine Weste mit der Aufschrift „Assistenzhund“ angelegt bekommt, ist er im Arbeitsmodus. Dann gilt für Außenstehende „streicheln verboten“, denn der Hund soll sich voll auf seinen Menschen und seine Arbeit konzentrieren können. „Der Hund muss in jeder Situation funktionieren. Ganz gleich, wie der Boden beschaffen, die Umgebungsgeräusche sind oder was auch immer sonst um ihn herum los ist“, erklärt Eschen. Ein kurzes „Zieh“ von ihm, und Brezel fasst das Seil an der Tür und öffnet sie. Als Belohnung gibt es ein Hundeleckerchen für den Vierbeiner. Der tierische Helfer verdient sich so sein Futter über den Tag verteilt. Denn eine Belohnung gibt es immer, wenn er eine Aufgabe erfüllt hat.

Rasse ist nicht entscheidend

Assistenzhunde bilden Teams mit Menschen mit unterschiedlichen Handicaps oder Erkrankungen. Es gibt Hunde, die ihren blinden oder sehbehinderten Menschen durch den Alltag führen. Andere warnen ihre Besitzer, wenn ein Asthmaanfalll droht und schaffen die notwendigen Medikamente heran. Diabetikerwarnhunde können ihre Besitzer alarmieren, wenn der Blutzuckerspiegel zu stark abfällt oder steigt. Auch für Menschen mit spastischen Lähmungen oder Epilepsie gibt es speziell ausgebildete Warnhunde. Andere Vierbeiner geben Menschen Sicherheit, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Und Autismushunde stärken mit ihrer Anwesenheit „ihre Menschen“ emotional.


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Nicht alle Hunde sind für diese Aufgaben gleich geeignet. Dabei ist weniger die Rasse entscheidend, wichtiger sind besondere Eigenschaften. „Hunde, die sich auf Menschen einlassen und Reize von außen ausblenden können, bringen gute Voraussetzungen mit“, so Beate Schlüters. Sie bildet seit vielen Jahren in Wettringen Assistenz- und Warnhunde aus, auch das Gespann Maurice Eschen und Brezel hat bei ihr gelernt.

Gute Beziehung zwischen Mensch und Hund

In der Ausbildung ist es zunächst wichtig, dass die Tiere die Grundkommandos wie „Sitz“, „Platz“ und „Bleib“ lernen und verinnerlichen. „Später kann man die anderen Dinge spielerisch ergänzen“, sagt die Expertin. Aber wie bekommt ein Hund mit, dass ein Mensch zum Beispiel einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel hat? „Das riechen die Hunde sowieso. Unsere Aufgabe ist es, ihnen beizubringen, dass das Tier es toll findet, wenn der Mensch so riecht und dann ein bestimmtes Verhalten zeigt, das auch belohnt wird“, sagt Schäpers. Dabei trage der Mensch die Verantwortung für das Tier und einen artgerechten Umgang mit ihm. „Es geht darum, eine gute Beziehung zwischen beiden herzustellen, nicht nur darum, dass der Hund funktioniert“, sagt Schäpers.

Brezel kann Türen öffnen und schließen. Foto: Jürgen Bröker

Brezel kann Türen öffnen und schließen. Foto: Jürgen Bröker

Die Ausbildung kann teuer sein. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten in der Regel nicht – es sei denn, es geht um einen Blindenführhund. Seit dem vergangenen Jahr gibt es aber eine Assistenzhundeverordnung, die unter anderem die Anerkennung der besonderen Vierbeiner regelt. Assistenzhunde werden ähnlich einem Hilfsmittel eingestuft. Daher dürfen sie ihren Menschen auch dorthin begleiten, wo andere Hunde draußen bleiben müssen: ins Lebensmittelgeschäft oder zum Arzt. Für die Menschen, denen sie helfen, sind sie unendlich viel mehr als ein Hilfsmittel. Die physische Hilfe ist das eine und sehr wichtig. Aber Assistenzhunde sind meist auch die dicksten Kumpel ihrer Besitzer. „Brezel hilft mir nicht nur meine körperlichen Handicaps zu kompensieren. Er tut auch meiner seelischen Gesundheit gut“, sagt Eschen.

Jürgen Bröker

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