Blick in den 250 Jahre alten Konzertsaal. Foto: Ralf Emmerich
11.01.2024

Ein wahrhaft fürstliches Paradies

Vor 250 Jahren eröffnete die Konzertgalerie im Steinfurter Bagno.  Ein kulturelles Kleinod, das Musikliebhaber begeistert.

Für den weltberühmten Geiger Daniel Hope ist er „einer der schönsten Konzertsäle Deutschlands“. Die hervorragende Akustik und das außergewöhnliche Ambiente der Konzertgalerie im Steinfurter Bagno haben sich längst herumgesprochen. Wer eingeladen wird, kommt gerne ins Münsterland – und auch sehr gerne wieder. So waren Cellist Daniel Müller-Schott, Flötistin Dorothee Oberliner, Sopranistin Barbara Hendricks und das Modern String Quartett bereits mehrfach zu Gast. Doch nicht nur die Stars der Klassikszene, auch viele Newcomer und interessante Neuentdeckungen sind hier live zu erleben.

Keine Frage, die Bagno-Konzertgalerie verspricht Musikgenuss vom Feinsten. Und das seit 250 Jahren. 1774 als „Grande Galerie pour les Concerts“ (große Konzertgalerie) nach dem französischen Vorbild des „Grand Trianon“ in Versailles, dem Gartenschloss Ludwig XIV., eröffnet, gilt die Bagno Konzertgalerie heute als der erste freistehende Konzertsaal des europäischen Kontinents. „Zweifellos ist sie die bedeutendste historische Spielstätte Westfalens“, macht Prof. Matthias Schröder, Künstlerischer Leiter des Bagno, deutlich. Für ihren 250. Geburtstag hat er gemeinsam mit Josef Schwermann, Vorsitzender des Bagnos-Kulturkreises, ein exzellentes Programm mit vielen Extras über zwei Spielzeiten hinweg zusammengestellt.

Vorbild Versailles

Der prächtige Rokokosaal mit den aufwendigen Stuckornamenten im Stil Ludwig XVI., den Wandnischen und reich verzierten Spiegelwänden, der Blick durch die hohen Fenster-Flügeltüren zu beiden Seiten in den Park – all das schafft ein ganz besonderes Flair für die hochklassigen Musikveranstaltungen, die hier geboten werden. Kaum zu glauben, dass die im Stil des Neoklassizismus erbaute Konzerthalle einst dem Verfall preisgegeben war. Doch die mit 200 Plätzen für heutige Verhältnisse eher kleine Konzertgalerie hat eine sehr bewegte Geschichte hinter sich.

Die Konzertgalerie im Steinfurter Bagno. Foto: Ralf Emmerich

Die Konzertgalerie im Steinfurter Bagno. Foto: Ralf Emmerich

Im 18. Jahrhundert war Westfalen territorial zersplittert, ein Flickenteppich größerer und kleinerer Hoheitsgebiete, in denen unterschiedliche Herren geistlichen oder weltlichen Standes regierten. Es war die Zeit der Duodezfürsten, das jeweilige Reich kaum größer als ein Büchlein, das – im so genannten Duodezformat – bequem in einer Jackentasche Platz hatte. Ein Fürstentum im Taschenformat, so spottete man.

Die Grafschaft Bentheim-Steinfurt passte da wunderbar ins Bild. Graf Karl (1756-1817), aufgeklärt und weltoffen, residierte zwar in Steinfurt, doch viele Monate des Jahres lebte er in Paris. Er liebte die französische Lebensart, die Pracht des Hofes – so war er häufig Gast in Versailles –, das kulturelle Leben, die Salons, das Theater, vor allem aber die Musik. Und daran wollte er auch seine Untertanen teilhaben lassen. „Graf Karl war ein für seine Zeit sehr ungewöhnlicher Regent, vielseitig gebildet und fortschrittlich denkend“, macht Matthias Schröder deutlich.

Benannt nach einem Badehaus

Direkt zu Beginn seiner Regentschaft hatte der Musikliebhaber, der selbst ein talentierter Flötenspieler war, eine eigene Hofkapelle ins Leben gerufen. Doch der kunstsinnige Reichsgraf wollte mehr. So ließ er nach 1765 für sich und seine Familie östlich des Schlosses in Steinfurt eine Sommerresidenz errichten – diverse Pavillons umgeben von einer kunstvoll gestalteten Gartenlandschaft, der das erste dort entstandene Gebäude, ein Badehaus (italienisch „il bagno“), ihren Namen gab.

Vor den weit geöffneten Flügeltüren der 1774 fertiggestellten Konzertgalerie lauschten „gut gekleydete Bürger“ an Sommerabenden der Musik, die die Hofkapelle im Saal für die Fürstenfamilie und ihre Gäste spielte, zeitgenössische Kompositionen aus Paris, Wien oder der Mannheimer Schule. „Das war dann tatsächlich ein öffentlicher Konzertsaal“, erklärt Matthias Schröder. In einer Zeit, in der Kunst und Kultur dem Adel vorbehalten war, habe Graf Karl als aufgeklärter Regent bürgerliches Publikum zugelassen: „Einzige Voraussetzung war die angemessene Kleidung.“

Gäste aus ganze Europa kamen ins Gartenparadies

Ab 1780 baute sein Sohn Ludwig, ebenso musikbegeistert wie Graf Karl, die Anlage weiter aus in einen exotischen Park mit See, kleinen Inseln und Brücken, Fontänen und Grotten, einer nachgebauten Ruine sowie Bauten im Stile einer türkischen Moschee, eines römischen Tempels, eines ägyptischen Turms oder chinesischen Palais‘. Gäste aus ganz Europa promenierten jetzt auf verschlungen Wegen durch dieses Gartenparadies. Man flanierte vom Wildgehege zum Kiosk, der als Speisesaal diente, lustwandelte durch Laubengänge und die große Allee, ließ sich im Blumengarten oder auf der Roseninsel inspirieren.


Musik

Dieser Artikel ist zuerst im WESTFALENSPIEGEL 06/2023 erschienen. Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Gerne senden wir Ihnen im Rahmen unseres Schnupperabos zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht´s zum Schnupperabo


Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war das Bagno einer der bedeutendsten Parkanlagen. Zu den Attraktionen gehörten Gehege für exotische Tiere, Volieren mit bunten, fremdländischen Vögeln und diverse Wasserspiele. Ein Freizeitpark für alle, der „Scharen von Besuchern in das Steinfurter Disneyland führte“, so Wolfgang Lübbers, Erster Vorsitzender des Fördervereins Bagno Konzertgalerie. Das fand mit der Besatzung durch Napoleons Truppen 1806 ein jähes Ende. Ludwig und seine Familie verloren ihre Souveränität und konnten die Kosten für Park und Hofkapelle nicht mehr aufbringen. Die meisten Gebäude wurden abgerissen oder verfielen. Wie die Konzertgalerie, die Ende der 1980er Jahre mit abgeblättertem Putz und den mit Brettern vernagelten Fenstern und Türen nurmehr ein trauriger Anblick war.

Einer Bürgerinitiative ist es zu verdanken, dass die Konzerthalle heute wieder in neuem Glanz erstrahlt. Mit unermüdlichem Engagement hat sie sich seit den 1980er Jahren für den Erhalt der historischen Konzertgalerie eingesetzt. Dank einer umfangreichen Förderung durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und dem Land Nordrhein-Westfalen konnte die Bagno Konzertgalerie umfangreich restauriert und 1997 wiedereröffnet werden. Seitdem ist die Konzertgalerie für ihre ausgezeichneten Programme von gleichbleibend hoher Qualität mittlerweile weit über die Region hinaus bekannt. „Unsere Veranstaltungen sind fast immer ausverkauft, und der Westdeutsche Rundfunk kommt regelmäßig für Konzertmitschnitte“, erklärt Matthias Schröder. Auch die Künstlerinnen und Künstler schätzen das Ambiente und die außergewöhnlich gute Akustik.

Auftakt des Festjahres

Im Jubiläumsjahr können sich die Musikliebhaber auf herausragende Solisten und Ensembles der internationalen Klassikszene wie Christian Zacharias, Nils Mönkemeyer, Jonas Aumiller und die Französische Kammerphilharmonie freuen. Götz Alsmann kommt mit seiner „Summertime“, Dominique Horwitz wird mit einem musikalisch-literarischen Programm an Franz Kafka zu seinem 100. Todestag erinnern. Zusätzlich gibt es neben Werkeinführungen einige spannende Vorträge. Dr. Daniel Glowotz, Kenner der Musikkultur der westfälischen Adelshöfe des 18. und 19.Jahrhunderts, wird gleich zu Beginn des offiziellen Festjahres die umfangreiche Bentheimsche Musiksammlung vorstellen (13.1.); mit dem französischen Musikwissenschaftler Prof. Gilles Cantagrel kommt im Frühjahr einer der führenden Bach-Forscher nach Steinfurt (13.3.).

Stargeiger Daniel Hope ist in der zweiten Spielzeit zu Gast im Bagno. Foto: M. Schröder

Stargeiger Daniel Hope ist in der zweiten Spielzeit zu Gast im Bagno. Foto: M. Schröder

Höhepunkt des Jubiläumsjahres ist ein großes Festwochenende im Juni 2024 mit offiziellem Festakt (21.6.), einem Galakonzert mit dem weltweit gefragten Cellisten Daniel Müller-Schott (22.6.) sowie Promenadenkonzerten des Residenzorchesters L’Arte del Mondo unter der Leitung von Werner Ehrhardt (23.6.). Auch die Planung für die zweite Spielplan steht. „Zur Eröffnung kommt Rolando Villazón“, freut sich der Kulturmanager. Desweiteren hätten bereits Dennis Hope, die Geigerin Viktoria Mullova sowie Rufus Beck als Rezitator fest zugesagt. Matthias Schröder: „Da geht dann richtig die Post ab, der liest nicht nur den Sommertraum, der spielt das auch.“

Promenadenkonzerte im Sommer

Auch wenn das Steinfurter Bagno heute nur noch in Ansätzen als planvoll gestaltete Gartenanlage der Goethezeit erkennbar ist, es lohnt sich, durch den Park zu laufen und sich diese untergegangene Welt zu erwandern. Und dabei im nächsten Sommer vielleicht den Promenadenkonzerten zu lauschen. „Mit den Promenadenkonzerten knüpfen wir an eine Tradition des Grafen an. Wir machen alle Türen und Fenster auf und öffnen so die Bagno-Konzertgalerie für alle interessierten Besucherinnen und Besucher“, so Matthias Schröder. „Karl zu Bentheim-Steinfurt war sehr fortschrittlich und hat damals viele Werke zeitgenössischer Komponisten zur Aufführung gebracht. Auch das nehmen wir im Jubiläumsjahr wieder auf.“ Zum einen werde es neben den bekannten und wichtigen Klassikern viel Musik aus der Entstehungszeit des Bagnos geben, zum anderen solle mit dem Programm der Gedanke des Grafen weitergetragen und auch zeitgenössische Musik angeboten werden. Entdeckungen sind garantiert.

Klaudia Sluka, wsp

Karten sind erhältlich bei Steinfurt Marketing und Touristik in Burgsteinfurt, Markt 2. Telefonische Kartenbestellung: 02551-186 900. Viele Konzerte der laufenden Spielzeit 2023-24 sind bereits ausverkauft. Das Programm mit allen Infos zu Künstlern und Tickets findet man unter www.bagno-konzertgalerie.de. Infos zum historischen Bagno-Park und zur Restaurierung der Konzertgalerie finden Sie hier.

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