„Eintritt in eine andere Welt“
Der Filmemacher Heinrich Breloer wird heute 80 Jahre alt. Der Hotelierssohn aus Westfalen gilt als Erfinder des Doku-Dramas.
Geboren 1942 in Gelsenkirchen, wuchs Breloer in Recklinghausen und Marl, der Heimat des Grimme-Preises, auf. Im elterlichen Hotel „Loemühle“ ging während der Ruhrfestspiele und der Filmpreisverleihung die Prominenz ein und aus. Die sorgenfreie Kindheit endete jedoch, als er in den 50er Jahren in das von katholischen Geistlichen geführte Internat Canisium in Lüdinghausen geschickt wurde.
Das Kino galt als in diesem Umfeld „Sündenpfuhl“, und es wurde für ihn zum Fluchtpunkt, erinnerte sich Breloer in einem Interview, das der Filmkritiker Hans Gerhold Ende 2008 mit ihm für den WESTFALENSPIEGEL führte: „Für mich war das Kino der Ausgang aus dem bedrückenden Alltag und der Eintritt in eine andere Welt. Ich habe mich damals mit so viel Sehnsucht nach einem anderen Leben aufgeladen, dass es bis heute gereicht hat. Vielleicht kann ich davon etwas an meine Zuschauer weitergeben.“ Als Internatschüler erlebte Breloer Gewalt und wurde zum Zeugen von Missbrauch. Diese Erfahrungen verarbeitete er später, Ende der 1980er Jahre, in dem Doku-Drama „Eine geschlossene Gesellschaft“, das mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde – nur eine von zahlreichen Auszeichnungen.
Montage aus Dokumentar- und Spielszenen
Im Studium der Literaturwissenschaft und Philosophie in Bonn und Hamburg befreite sich Breloer von der Enge des streng katholischen Umfelds seiner Jugend. 1976 folgte eine Promotion über Georg Kaisers Drama „Die Koralle“. Neben Studium und Promotion arbeitete der Westfale zunächst als Filmkritiker und Hörfunkautor; später auch als Dokumentarfilmer. Verbunden ist sein Name heute vor allem mit dem von ihm entwickelten Genre des Dokudramas. Typisch für Breloer ist die Montage aus Dokumentar- und Spielszenen. Erstmals zeigte er dies 1981 mit „Das Beil von Wandsbek“, einer Studie über den Henker von Hamburg. „Wenn Spiel und Dokumentarszenen aufeinander treffen, entsteht etwas drittes Neues, etwas, was den gleichen Stellenwert annehmen muss“, erklärte der Regisseur vor rund 13 Jahren im WESTFALENSPIEGEL.
Seine Dramen sorgten immer wieder für Aufsehen: „Todesspiel“ (1997) über den RAF-Terror, „Die Manns“ (2001) über die Schriftstellerbrüder und ihre Familien und „Speer und Er“ (2004) über Hitlers Rüstungsminister sind vielen noch heute in Erinnerung. Mit dem Generationendrama „Die Buddenbrooks“ debütierte Breloer 2008 im Kino, 2019 folgte mit „Brecht“ ein weiteres, charakteristisches Dokudrama. Im Mittelpunkt stand der berühmte Lyriker und Dramatiker, dessen Werk prägend für Breloer war.
Arbeit an Serie
Mit nun 80 Jahren präsentiert sich Breloer weiter voller Schaffensdrang. Er arbeite zurzeit an einer Serie für den WDR, berichtete der Filmemacher kürzlich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Als Arbeitstitel nannte er: „Der Mantel des Schweigens“ und bemerkte, dass dieser zufällig gewählte Name doch passend für sein Lebenswerk sei: „Ich wollte eigentlich immer aufdecken, worüber sonst der Mantel des Schweigens gebreitet worden wäre.“
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Anlässlich von Breloers Geburtstags zeigt der WDR den Zweiteiler „Todesspiel“ heute um 23.30 Uhr. „Todesspiel“, „Die Manns – ein Jahrhundertroman“ und die „Buddenbrooks“ sind erstmals in der ARD Mediathek verfügbar. Am 19. Februar widmet das WDR Fernsehen dem Filmemacher eine ganze Nacht. Den Auftakt um 20.15 Uhr macht der Dreiteiler „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“. Im Anschluss wird ein Interview mit Breloer aus der Reihe „WDR Geschichte(n)“ gezeigt und danach der Zweiteiler „Brecht“.