Der Lichthof im LWL-Musuem für Kunst und Kultur in Münster. Foto: LWL/Deiters-Keul
01.09.2021

„Ob das reicht, bezweifle ich“

Das neue Kulturgesetzbuch NRW soll ab Januar in Kraft treten. Es will sämtliche, die Kultur betreffende rechtliche Regelungen und Gesetze bündeln. Im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL ordnet die Kulturdezernentin des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, den bisherigen Entwurf ein.

Wie beurteilen Sie den Entwurf zum neuen Kulturgesetzbuch?
Positiv zu bewerten ist die Initiative vor allem im Hinblick auf die Stärkung des Stellenwerts von Kultur in der Landespolitik. Gut ist auch, dass das Land im Kultursektor Bürokratie abbauen und die Kultur betreffende Regelungen bündeln möchte. Ob das aber reicht, bezweifle ich. In seiner aktuellen Form bleibt der Entwurf in wesentlichen Punkten wenig konkret. Außerdem regelt das Gesetz gar nicht so viel, es ist vielmehr eine Beschreibung des Ist-Zustands der Kultur in Nordrhein-Westfalen, und auch diese Beschreibung hat Unschärfen und blinde Flecken.

Ein Aspekt im neuen Gesetzestext ist die Stärkung von Kultur in ländlichen Räumen.
Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass dieses Thema in einem eigenen Paragraphen behandelt wird, leider bleibt dieser Punkt aber ebenso unkonkret wie vieles andere im bisherigen Entwurf auch. Ich habe die große Sorge, dass das Verständnis von Kultur im ländlichen Raum im Gesetz auf bestehende Strukturen und Brauchtumspflege beschränkt bleibt. An wirkliche Blockbuster-Ausstellungen für die ländlichen Regionen möchte man nicht ran. Man kann aber nicht immer sagen, wer sogenannte Hochkultur erleben will, muss halt in die Metropolen fahren. Dafür ist NRW zu groß.

Wie kann die Kultur im ländlichen Raum denn gestärkt werden?
Synergien und Netzwerke zwischen urbanen Zentren und ländlichen Räumen müssten adressiert und in der Konsequenz auch gestärkt werden – und das meint nicht nur den Ausbau des ÖPNV, sondern kulturelle Leuchttürme in der Fläche. Im Landschaftsverband Westfalen-Lippe haben wir durch das Kloster Dalheim den Beweis angetreten, dass kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen im ländlichen Bereich sehr gut funktionieren. Zum Beispiel war unsere Ausstellung „Fakt oder Fake“ über Verschwörungstheorien ein großer Erfolg. Auch im LWL-Freilichtmuseum in Detmold werden wir in den nächsten Jahren hochkarätige Kunstausstellungen zeigen. Aktuell von den Künstlern und Künstlerinnen verhandelte Themen wie Umwelt und Klima passen dort hervorragend hin. Und die Künstler und Künstlerinnen selbst möchten auch nicht immer nur in die Städte. Wir können ihnen die entsprechende Infrastruktur abseits urbaner Räume dazu bieten.

LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Foto: LWL

LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Foto: LWL

Aber zieht das auch ausreichend Besucher in den ländlichen Raum?
Die Besucherinnen und Besucher sind ja schon da. Das LWL-Freilichtmuseum Detmold hat über 200.000 Gäste im Halbjahr. Wir wollen sie mit hochkarätigen wechselnden Angeboten für Kunst und Kultur begeistern. Ich bin mal gespannt, ob die Landesregierung da mitgeht, im Moment kann ich das noch nicht erkennen. Es ist ja nett, zu sagen, wir unterstützen Kultur im ländlichen Raum. Es muss sich aber erst noch zeigen, ob das nur gutgemeinte Prosa im Gesetzestext ist, oder, ob und was konkret folgt.

Ziel des Gesetzbuches ist es, den Stellenwert der Kultur in NRW zu erhöhen – gelingt das?
Die Idee dahinter ist sehr gut. Das befürworte ich auch ausdrücklich. Aber ob das mit den bisher vorgelegten Gesetzestexten gelingen kann, bezweifle ich. Dabei spielt auch folgendes Grundproblem eine Rolle: Das Land hat einen Anteil von gut 20 Prozent an der Kulturförderung in Nordrhein-Westfalen. Und vor diesem Hintergrund, den Anspruch zu erheben, wir regeln jetzt mal die Kultur in NRW ohne die kommunale Familie mitzunehmen, finde ich schwierig. Vielleicht wäre es klüger gewesen, das umfassender darzustellen und auch die kommunale Familie – also die Städte und Gemeinden, die Landschaftsverbände und die vielen Einrichtungen vor Ort – stärker einzubeziehen.

Die Landschaftsverbände zählen zu den größten Kulturförderern in NRW?
Absolut. Allein die beiden Landschaftsverbände haben in den vergangenen Jahren zusammen vergleichbar hohe Summen in die Kulturförderung investiert wie das Land. Hinzu kommt, dass wir Fachkompetenzen und die Einrichtungen haben. Ich denke, das wird im Gesetzentwurf nicht ausreichend dargestellt. Das ist zumindest ungeschickt. Wenn man die Kultur in Nordrhein-Westfalen sichtbarer machen und ihr eine stärkere Stimme geben möchte, dann ist es nicht klug, die Leistung der Landschaftsverbände, aber auch die der vielen anderen Engagierten wie etwa der Kulturinstitute und Verbände, nicht entsprechend dazustellen. Ich denke, die Bedeutung und Strahlkraft des Kulturgesetzbuches hätte davon profitiert, wenn die Vielfalt und Kompetenzverteilung der Kulturlandschaft konkreter dargestellt worden wäre.

Interview: Jürgen Bröker

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