Nach dem Angriff klaffte ein riesiges Loch in der Staumauer der Möhnetalsperre. Foto: Ruhrverband
16.05.2023

80 Jahre Möhnekatastrophe

In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 griffen britische Bomber Talsperren des Ruhrverbands an. Verheerend waren die Folgen des Bombardements an der Möhnetalsperre. 

Dort verursachten die Bomben vor 80 Jahren einen Riss in der Staumauer. Durch den Druck des ausströmenden Wassers klaffte bald eine fast 80 Meter breite Lücke in der Wand. Als Folge schoss eine bis zu sieben Meter hohe Flutwelle durch das enge Möhnetal. In weniger als neun Stunden strömten dabei über 100 Millionen Kubikmeter Wasser aus der Talsperre und ergossen sich bis weit ins Ruhrtal hinein. Etwa 1600 Menschen starben, vor allem Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in einem Lager fünf Kilometer unter halb der Staumauer untergebracht waren, so der Ruhrverband. Häuser wurden fortgespült, Brücken und Straßen zerstört.

Die Flutwelle richtete in Neheim große Verwüstungen an. Foto: Ruhrverband

Die Flutwelle richtete in Neheim große Verwüstungen an. Foto: Ruhrverband

Die britische Armee hatte für den Angriff auf die Staumauern eigene Bomben konstruiert. So warf die 617. Bomb Squadron unter dem Befehl von Wing Commander Guy Penrose Gibson sogenannte Rotationsbomben ab, die nach dem Prinzip eines hüpfenden Kieselsteins in Richtung der Staumauer springen, dort versinken und in der Tiefe explodieren sollten. Angriffsziel waren neben der Möhne- auch die Lister-, Sorpe-, und Ennepetalsperre des Ruhrverbands sowie die Edertalsperre im Waldecker Land (Hessen). Auch die Edertalsperre wurde zerstört, so dass sich eine Flutwelle bis nach Kassel ergoss.

Zwangsarbeiter mussten die Talsperre wieder aufbauen

Die „Operation Chastise“ („Züchtigung“), wie der Codename des Bombardements vor 80 Jahren lautete, hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Menschen in der Region eingegraben. So erinnert am Standort des durch die Flutwelle völlig zerstörten Klosters Himmelpforten heute ein Mahnmal an die vielen hundert Menschen, die im dortigen Lager für ausländische Zwangsarbeitskräfte von der Flut überrascht wurden und ertranken. Auch im Ortskern von Neheim, das heute zu Arnsberg gehört und von der Hochwasserwelle schwer getroffen wurde, gibt es ein Mahnmal für die Opfer der Katastrophe.

Durch die 80 Meter breite Lücke in der Staumauer strömten binnen weniger Stunden mehr als 100 Millionen Kubikmeter Wasser aus. Foto: Ruhrverband

Durch die 80 Meter breite Lücke in der Staumauer strömten binnen weniger Stunden mehr als 100 Millionen Kubikmeter Wasser aus. Foto: Ruhrverband

Die Nationalsozialisten begannen unmittelbar nach der Sprengung der Möhnetalsperre mit dem Wiederaufbau. Mehr als 4000 Zwangsarbeiter mussten in den Folgemonaten für das NS-Regime schuften. Im September waren die Arbeiten beendet und die Möhnetalsperre konnte wieder eingestaut werden.

Zahlreiche Veranstaltungen zur Erinnerung

In der von der Flut der Möhnekatastrophe betroffenen Region erinnert man in diesen Tagen mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen und weiteren Aktionen an die Ereignisse vor 80 Jahren. So ist in Arnsberg in der Stadtbibliothek Neheim bis zum 10. Juni die Ausstellung „Auf den Flügeln des Friedens“ zu sehen. Sie wurde vom Heimatbund Neheim-Hüsten in Kooperation mit Neheimer Schulen verwirklicht. Außerdem gibt es Lesungen und weitere Aktionen.

Für den Wiederaufbau der Staumauer wurden fast 4000 ausländische Arbeitskräfte durch den Nazi-Bautrupp „Organisation Todt“ zwangsrekrutiert. Foto: Ruhrverband

Für den Wiederaufbau der Staumauer wurden fast 4000 ausländische Arbeitskräfte durch den Nazi-Bautrupp „Organisation Todt“ zwangsrekrutiert. Foto: Ruhrverband

Auch die Gemeinde Möhnesee zeigt in den kommenden Tagen (Donnerstag, Samstag und Sonntag, 21.05.) eine Ausstellung, die sich mit dem Bau der Möhnetalsperre, der Operation Chastise, der Zerstörung, den Todesopfern, der Naziproganda sowie der Rezeption in Literatur und Film beschäftigt. Außerdem werden in der Schützenhalle Günne auch Originalfilme gezeigt, unter anderem Aufnahmen vom Morgen der Zerstörung. Zusammengestellt wurde die Schau von Karl-Heinz Wilmes, einem Zeitzeugen der Katastrophe, und den Gemeindearchivarinnen Maren Wegmann und Lena Lewald. Außerdem werden Wanderungen und Radtouren zur Staumauer angeboten.

jüb/wsp

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