Bürgermeisterinnen gesucht
In Westfalens Rathäusern gibt es gerade einmal 24 Bürgermeisterinnen. Warum Frauen in der Lokalpolitik unterrepräsentiert sind, zeigt eine Studie der Fernuniversität Hagen. Die Westerkappelner Bürgermeisterin Annette Große-Heitmeyer engagiert sich dafür, dass sich die Situation ändert.
Landesweit führen Frauen die Geschäfte in 43 Städten und Gemeinden, so eine Statistik des Städte- und Gemeindebundes NRW. Damit stellen Frauen nicht einmal elf Prozent der Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen – und das bei einem Bevölkerungsanteil von rund 51 Prozent. „Ich glaube ein Grund dafür ist, dass sich weniger Frauen als Männer dieses Amt zutrauen“, sagt Annette Große-Heitmeyer. Sie hat sich getraut. Denn seit der Bürgermeisterwahl vor sechs Jahren hat sie das Amt in Westerkappeln inne.
Noch immer sehen sich Frauen mit Geschlechter-Klischees konfrontiert, wenn sie sich um politische Ämter bewerben. So wurde Große-Heitmeyer vor sechs Jahren auf einer Wahlkampfveranstaltung danach gefragt, ob sie das Amt nur halbtags ausüben wolle. Sie habe doch schließlich zwei kleine Kinder im Alter von vier und sechs Jahren. „Auf dem Podium saßen außer mir noch weitere vier Kandidaten. Ich war die einzige Frau und nur mir wurde diese Frage gestellt“, erinnert sie sich.
Große Parteien stellen weniger Frauen als Kandidaten auf
Umfragen und Studien zeigen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen entscheidender ist als für Männer. Das Bürgermeisteramt ist aber mit langen Arbeitstagen und Wochenendterminen verbunden. Das lässt wenig Raum für die Familien und schreckt Bewerberinnen offensichtlich ab.
Das Recherche-Netzwerk „Correctiv“ hat für jede Stadt und Gemeinde in NRW ausgewertet, wie hoch der Frauenanteil in den Kommunalparlamenten nach den Wahlen 2014/15 war. Den höchsten Anteil hat demnach der Stadtrat Halle mit 44 Prozent. Winterberg dagegen kommt nur auf drei Prozent Frauen. In Sassenberg im Münsterland wurde keine einzige Frau in den Stadtrat gewählt, so Correctiv.
Eine Studie des Instituts für Politikwissenschaft der Fernuniversität Hagen hat einige Gründe aufgezeigt, warum Frauen in politischen Ämtern unterrepräsentiert sind. Hierzu wurden vorhandene Daten zu Kommunalwahlen in allen Gemeinden Deutschlands mit mehr als 20.000 Einwohnern ausgewertet. Eine Frage dabei: Wer tritt wo unter welchen Bedingungen an? Dabei ist aufgefallen, dass die großen Parteien, die die meisten gewählten Bürgermeister stellen, signifikant weniger Frauen nominieren als kleine Parteien.
„Häufig werden Frauen nur dann als Kandidatinnen aufgestellt, wenn es eine Notsituation gibt“, erklärt Lars Holtkamp vom analysierenden Institut der Fernuni. Also dann, wenn die Chancen auf eine Wahl schlecht ständen. „Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der eigene Kandidat oder die eigene Kandidatin gegen den Amtsinhaber antreten muss. Das geht nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit schief“, sagt Holtkamp. Auch eine Kandidatur in der Diaspora für die eigene Partei werde häufiger an Frauen vergeben. „Man kann wirklich sagen, dass Frauen in schwierigere Konstellationen als Kandidatinnen geschickt werden“, so Holtkamp.
Außerdem verdeutlicht die Studie, dass sich deutlich mehr männliche als weibliche Amtsinhaber erneut für den Bürgermeisterposten bewerben. 354 Männer haben sich im untersuchten Zeitraum deutschlandweit erneut zur Wahl gestellt. Dem standen nur 34 weibliche Bewerber gegenüber. Da es sehr hohe Wiederwahlquoten für Bürgermeister gibt, wird deutlich, warum ein Wandel auf sich warten lässt.
Gegen Quotenregelung
Bürgermeisterin Große-Heitmeyer weiß aus vielen Gesprächen, „dass an Frauen höhere Erwartungen gestellt werden als an Männer. Und auch sie selbst erwarten von sich viel mehr“. Sie selbst ermutigt Frauen dennoch, sich für politische Ämter auf lokaler Ebene zu bewerben. „Ich habe selbst erfahren, dass man wirklich viel bewegen kann“, sagt die Bürgermeisterin von Westerkappeln.
Trotz all der Schwierigkeiten und des Ungleichgewichts zwischen Männern und Frauen in politischen Ämtern ist Große-Heitmeyer kein Fan einer Quotenregelung. „Ich möchte nicht über eine Quotenregelung an einen Job kommen, sondern weil ich dafür qualifiziert bin“, sagt sie.
Jürgen Bröker/wsp
Ein Interview mit der einzigen Landrätin in Nordrhein-Westfalen, Eva Irrgang aus dem Kreis Soest, lesen Sie hier:
„Ich bin keine Quotenfreundin“