Bürgerrat startet
Am Freitag nimmt der erste Bürgerrat in Berlin seine Arbeit auf. Dabei geht es um die Frage, wie wir uns zukünftig ernähren wollen. Mit dabei ist auch Marita Kasper aus Barntrup im Kreis Lippe.
„Ich bin schon sehr gespannt, was mich erwartet“, sagt Marita Kasper im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL. Sie ist 60 Jahre alt, Mutter von vier längst erwachsenen Kindern und Erzieherin. Heute arbeitet sie in der Jugendhilfe. Ihr ganzes Berufsleben begleiten sie Fragen rund um das Thema Ernährung. „Deshalb habe ich auch nicht lange überlegt, ob ich da mitmachen möchte. Ich glaube, ich habe einiges zu dem Thema zu sagen“, so Kasper.
Ein Aspekt, den sie auf jeden Fall in die Diskussion einbringen möchte, ist der Umgang mit verstecktem Zucker im Essen. „Ich bin dafür, dass das deutlicher auf den Produkten ausgewiesen wird“, erklärt Kasper. Auch beim Thema Fleischkonsum und Tierhaltung ist sie auf die Debatten gespannt. „Ich sehe mich da auch als Vertreterin der heranwachsenden Generation, die ich in meinem Berufsleben täglich erlebe“, so Kasper. Diese wünschte sich, dass weniger Fleisch konsumiert wird und dass die Tiere besser gehalten werden.
160 Mitglieder im Bürgerrat
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten habe sich einiges in eine problematische Richtung entwickelt. Kasper erinnert sich noch gut an ihre beruflichen Anfänge: „Wir haben damals viel regionaler für die Mahlzeiten der Kinder einkaufen können.“ Fleisch gab es beim Metzger nebenan und der Landwirt um die Ecke verkaufte unter anderem Obst und Gemüse. Heute sei der Kostendruck größer, der Weg zum Einkaufen führt meist in den nächsten größeren Supermarkt. Auch die Kinder seien gesünder gewesen, hätten weniger Allergien gehabt.
Im Mai hatte der Bundestag beschlossen, einen Bürgerrat einzusetzen, der sich mit dem Thema „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ befassen sollte. Bis Mitte Januar sollen die nun zufällig ausgelosten 160 Menschen, darunter 33 aus Nordrhein-Westfalen, ihre Empfehlungen ausgearbeitet haben. Hierzu treffen sich die Mitglieder drei Mal in Präsenz in Berlin, zusätzlich gibt es noch weitere Online-Meetings.
„Wir wollen etwas bewegen“
Dabei geht es darum, zu ergründen, was die Bürgerinnen und Bürger in der Ernährungspolitik vom Staat erwarten. Wo soll er aktiv werden und wo nicht? Fragen zum Gesundheitsschutz stehen ebenso auf der Agenda, wie zur Umwelt- und Klimaverträglichkeit, zu Haltungsbedingungen von Nutztieren oder auch zur Produktion und Kennzeichnung von Lebensmitteln. Vielleicht schafft es auch Marita Kaspers Idee zum deutlicheren Hinweis auf versteckten Zucker in Lebensmitteln auf die Liste. Welche Fragestellungen behandelt werden sollen, entscheiden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst.
Einige Mitstreiter hat Kasper bereits über digitale Kanäle kennengelernt. „Die Stimmung ist bei allen ähnlich. Wir sind sehr motiviert und wollen etwas bewegen“, sagt Kasper. Dabei weiß sie, dass der Bürgerrat nur Empfehlungen äußern kann, die Entscheidung liegt beim Parlament. „Wir wissen natürlich, dass die gewählten Vertreter entscheiden. Wir alle denken aber und setzen auch darauf, dass die Parlamentarier unsere Empfehlungen ernst nehmen.“
Bis spätestens zum 29. Februar 2024 sollen die Handlungsempfehlungen in Form eines Bürgergutachtens dem Bundestag vorliegen. Dieses Gutachten wird dann im Plenum des Bundestages und in den entsprechenden Ausschüssen behandelt, um über eine mögliche Umsetzung der Empfehlungen zu beraten, heißt es vom Verein Mehr Demokratie.
Jürgen Bröker, wsp