Der Behrensbau am Rheinufer in Düsseldorf soll zum Haus der Geschichte werden. Foto: Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen / Axel Thünker
23.08.2021

„Das Land ist an Herausforderungen gewachsen“

Nordrhein-Westfalen feiert 75-jähriges Jubiläum. Am 23. August 1946 beschloss die britische Militärregierung die Auflösung der Provinzen des ehemaligen Preußen, und das Land NRW wurde gebildet. Auf mehr als sieben bewegte Jahrzehnte blickt ab dem 27. August eine Jubiläumsausstellung im Behrensbau in Düsseldorf zurück. Wir haben mit der Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Uelsberg, Präsidiumsmitglied in der Stiftung Haus der Geschichte NRW, über das Bindestrichland und seine Geschichte gesprochen.

Der Teddy, mit dem ein Mädchen 1947 von Dresden nach Nordrhein-Westfalen geflohen ist, ist eines von mehr als 4000 Sammlungsobjekten. Foto: Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen / Axel Thünker

Der Teddy, mit dem ein Mädchen 1947 von Dresden nach Nordrhein-Westfalen geflohen ist, ist eines von mehr als 4000 Sammlungsobjekten. Foto: Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen / Axel Thünker

Frau Dr. Uelsberg, 75 Jahre NRW – welche Ausstellungsstücke stehen in der Jubiläumsausstellung für diese Geschichte?
Die Objekte sind so vielfältig wie das Land und seine Geschichte. Viele sind mit starken Erinnerungen und Emotionen verknüpft. Sie reichen vom Schreibtisch, auf dem der Aachener Vertrag unterschrieben wurde, über das Reiseschachspiel des früheren Ministerpräsidenten Peer Steinbrück bis hin zu einem Teddybär, der in der Zeit des Zweiten Weltkriegs aus einem alten Mantel genäht wurde. Ein dreijähriges Mädchen hat das Kuscheltier von seiner Mutter geschenkt bekommen und auf der Flucht von Dresden nach NRW ganz nah bei sich getragen. Die heute 78-jährige Dame hat es dem Haus der Geschichte NRW nun als Ausstellungsstück vermacht. Solch eine Geschichte lässt wohl niemanden unberührt.

Welche Schwerpunkte setzten Sie in der Jubiläumsausstellung?
Wir blicken vor allem auf die Herausforderungen, vor denen das Land in seiner Geschichte immer wieder gestanden hat. Am Beispiel von Themenschwerpunkten wie Strukturwandel, Migration und Soziales, aber auch Umwelt und Kultur setzen wir Schlaglichter auf die Entwicklung. Probleme, schwierige Fragen und auch die Katastrophen, die sich in der Geschichte des Landes ereignet haben, werden dabei nicht ausgespart; ob es um die fremdenfeindlichen Anschläge von Solingen, das Love-Parade-Unglück in Duisburg oder auch das Hochwasser vor einigen Wochen geht. An solchen Beispielen machen wir deutlich, wie das Land an Herausforderungen gewachsen ist und welchen Zusammenhalt es gibt.

Am Anfang der Landesgeschichte stand die „Operation Marriage“– keine Liebesheirat der beiden Landesteile, sondern eher ein Zweckbündnis.
Aus dem sich jedoch eine tragfähige Partnerschaft entwickelt hat! Es mag sicherlich immer wieder eine Konkurrenzsituation zwischen dem Rheinland und Westfalen geben, ähnlich wie das auch zwischen Bayern und Franken der Fall ist. NRW ist ein großes und vielfältiges Land. Aus der Unterschiedlichkeit der Regionen, Kulturen und auch Religionen speist sich jedoch eine Einheit, und das wollen wir in der Ausstellung betonen.

Die Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Uelsberg hat unter anderem das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr und das Rheinische Landesmuseum Bonn geleitet. Seit Februar 2020 bildet sie gemeinsam mit Prof. Heinrich Theodor Grütter (links) und Prof. Dr. Hans Walter Hütter (rechts) das Präsidium der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen. Foto: Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen / Andreas Lange

Die Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Uelsberg hat unter anderem das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr und das Rheinische Landesmuseum Bonn geleitet. Seit Februar 2020 bildet sie gemeinsam mit Prof. Heinrich Theodor Grütter (links) und Prof. Dr. Hans Walter Hütter (rechts) das Präsidium der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen. Foto: Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen / Andreas Lange

2028 soll im Haus der Geschichte in Düsseldorf eine Dauerausstellung zur Landesgeschichte eröffnen. Wie beziehen Sie Perspektiven aus Regionen wie Lippe, dem Siegerland oder auch dem Tecklenburger Land ein?
Der Standort des Museums ist am Regierungssitz des Landes NRW. Jedoch ist es uns wichtig, die Geschichte des Landes nicht nur aus der Düsseldorfer Perspektive zu erzählen, sondern verschiedene Sichtweisen zu präsentieren. Dabei hat die Wanderausstellung, die ab 2022 in allen Kreisen und kreisfreien Städten NRWs zu sehen sein wird, eine wichtige Bedeutung. Vor Ort an den Ausstellungsorten wollen wir in den Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern gehen. Wir befragen dort Zeitzeugen, diskutieren zum Beispiel mit Schülern und suchen nach weiteren Ausstellungsstücken. Es ist uns sehr wichtig, Rückmeldungen zu bekommen und neue Perspektiven zu sammeln. Nicht nur von Besuchern im Behrensbau, sondern aus allen Landesteilen.

Interview: Annette Kiehl, wsp

Die Ausstellung „Unser Land. 75 Jahre Nordrhein-Westfalen“ der Stiftung Haus der Geschichte NRW ist vom 27. August 2021 bis 23. Mai 2022 im Behrensbau in Düsseldorf zu sehen. Im Anschluss wird es eine Wanderausstellung geben. Weitere Informationen finden Sie hier.

Informationen zu weiteren Jubiläumsveranstaltungen gibt es hier

Lesen Sie auch im Bereich "Kultur, Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin