Der Verein Digitalcourage warnt vor einem zunehmenden Digitalisierungsdruck: Menschen müssten die Wahl haben, ob sie Apps und digitale Angebote nutzen oder nicht. Foto: Pixabay
02.06.2021

„Digitalzwang“ nimmt zu

Der Bielefelder Verein Digitalcourage kritisiert einen steigenden Druck digitale Anwendungen zu nutzen. Der „Digitalzwang“ habe während der Pandemie zugenommen.

So kritisiert der Verein zum Beispiel die Luca-App, die als „Weg aus der Corona-Pandemie“ dargestellt werde. Die Nutzung der App dürfe nicht zur Voraussetzung für die Teilnahme am öffentlichen Leben werden, so Leena Simon von Digitalcourage. „Wir finden die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet großartig. Wir hoffen, dass viele Anwendungen das Leben der Menschen positiv beeinflussen. Aber wir sind durchaus skeptisch, was den Umgang mit den erhobenen Daten angeht und wollen daher den Prozess der Digitalisierung mitgestalten“, erklärt Simon.

Wenn Menschen kaum mehr eine Wahl bleibe, ob sie ein digitales Angebot nutzen wollen oder nicht, sei das ein Problem. Beispiele dafür gibt es laut dem Verein viele: Schulinformationen, die nur noch über Whatsapp-Gruppen verbreitet werden, oder Haushaltsgeräte, die ausschließlich mit einer aktiven Internetverbindung funktionieren. „Das gute digitale Leben schließt die Wahlfreiheit und das Analoge mit ein. Der mündige Umgang mit digitaler Technik setzt voraus, dass wir auch Alternativen einfordern oder widersprechen können“, erklärt Digitalcourage.

Digitalzwangmelder

Daher hat der Verein nun einen „Digitalzwangmelder“ eingerichtet. Dort können Menschen eintragen, wann und wie sie betroffen sind. „Mit der Aktion wollen wir auch für einen sensiblen Umgang mit den eigenen Daten werben“, sagt Simon. Grundsätzlich hält der Verein die Erhebung von Daten im Rahmen der Kontaknachverfolgung „für vertretbar, wenn diese besonders geschützt und nur für diesen Zweck erhoben werden. Wichtig ist aber, dass dies und andere Freiheitseinschränkungen temporär sind und wieder zurückgenommen werden“, so Simon.

„Das gute digitale Leben schließt die Wahlfreiheit und das Analoge mit ein“, sagt Leena Simon vom Verein Digitalcourage. Foto: Alexander Altmann

„Das gute digitale Leben schließt die Wahlfreiheit und das Analoge mit ein“, sagt Leena Simon vom Verein Digitalcourage. Foto: Alexander Altmann

Manchmal gehen die Behörden bei der Datenerfassung aber auch zu weit. So geschehen im vergangenen Jahr in Bielefeld. Ein Freibad hatte zusätzlich zu Name, Adresse und E-Mailadresse auch das Geburtsdatum verlangt. Digitalcourage hat daraufhin einen Beschwerdebrief an die Bielefelder Bäder und Freizeit GmbH geschickt. Mit Erfolg: Das Geburtsdatum ist kein Pflichtfeld mehr bei der online-Anmeldung und es wird auch nicht mehr auf die Tickets gedruckt.

Digitalcourage mahnt die Behörden zur Zurückhaltung: „Ich würde behaupten, dass zur Kontaktnachverfolgung der Name und entweder die Telefonnummer, die E-Mailadresse oder die Postanschrift genügt“, ist sich Simon sicher.

Der Bielefelder Verein engagiert sich seit 1987 für Grundrechte, Datenschutz und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter. 2015 war die Mitgründerin des Vereins, Rena Tangens, für ihr Engagement zur Wahrung der Grundrechte mit dem Bundespreis Verbraucherschutz ausgezeichnet worden.

wsp

Hier geht es zum Digitalzwangmelder 

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