Katrin Gebbe führte in der Netflix-Serie „Die Kaiserin“ Regie. Foto: privat
21.11.2023

„Elisabeth war eine Künstlerin“

Die Historienserie „Die Kaiserin“ wurde bei den Emmy Awards in New York als beste Dramaserie ausgezeichnet. Im Interview verrät Regisseurin Katrin Gebbe, eine Filmemacherin aus dem Münsterland, warum sie die Herrscherin „Sisi“ anders zeigen wollte, als sie viele aus den Romy-Schneider-Filmen kennen. Lesen Sie hier unseren Archivbeitrag.

Der Streaming-Riese Netflix hat Ihnen die Regie bei der aktuellen Serie „Die Kaiserin“ über Elisabeth von Österreich-Ungarn angeboten, noch besser bekannt unter ihrem Spitznamen Sisi. Inwieweit war Ihnen die Sisi-Geschichte vertraut? 
Ich kannte die Romy-Schneider-Filme, war aber kein Fan. Nach der Regie-Anfrage habe ich viel recherchiert und war überrascht, dass das Elisabeth-Bild der Romy-Schneider-Filme kaum Überschneidungen mit der wahren Figur hat. Elisabeth war eine freigeistige Künstlerin, die Gedichte geschrieben hat, die einen großen Freiheitsdrang hatte und die plötzlich in einem System gelandet war, in dem sie eine Rolle ausfüllen musste, was ihr überhaupt nicht lag. Das fand ich spannend. Ich war begeistert, dass wir die Rolle mit Devrim Lingnau mit einer relativ unbekannten Schauspielerin besetzen konnten.

Inwieweit hat Sie der internationale Erfolg der Serie überrascht? 
Auch außerhalb vom deutschsprachigen Raum ist Sisi ein Phänomen mit einigen Fans, das war mir neu. Doch einige jüngere Menschen in Deutschland kennen die „Sissi“-Filme gar nicht mehr (in den Spielfilmtiteln wurde Sissi mit Doppel-s geschrieben, Anm. d. Red.).  Dass ‚Die Kaiserin‘ so erfolgreich wird und eine Weile die Netflix-Charts als beste nicht-englischsprachige Serie angeführt hat, hatte ich nicht erwartet. Mit meinen Arthaus-Filmen hatte ich eher ein Nischenpublikum (lacht).

Ihre Spielfilme „Tore tanzt“ (2013) und „Pelikanblut“ (2019) waren in Cannes bzw. in Venedig eingeladen. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen?
Es war eine sehr große Überraschung, dass „Tore tanzt“ in Cannes gelaufen ist und viele Preise gewonnen hat, darunter eine Nominierung für die Beste Regie beim Deutschen Filmpreis. Da war ich wahnsinnig stolz. Das gibt Selbstvertrauen, dass ich im richtigen Beruf bin. Zuvor hatte ich bei dem Projekt viel Gegenwind bekommen: So einen Film wolle niemand sehen.

Szenenfoto aus der Netflix-Produktion „Die Kaiserin“. Foto: Netflix

Szenenfoto aus der Netflix-Produktion „Die Kaiserin“. Foto: Netflix

„Pelikanblut“ von 2019 ist ein sehr intensiver Film über eine Pferdehofbesitzerin, die ihr adoptiertes Kind trotz seiner schweren emotionalen Störung nicht aufgibt. Wie schwierig war es, eine Star-Schauspielerin wie Nina Hoss dafür zu gewinnen?
Sie hat aus Neugier auf das Drehbuch geschaut, ist hängen geblieben und hat sich einen Tag später gemeldet. Die Zusammenarbeit war sehr partnerschaftlich. Ich habe für die sehr komplexe Rolle eine Frau mit großer Bandbreite gesucht, die Sympathie, eine innere Stärke und Entschiedenheit mitbringt. Die Mutter in dem Film ist mit dem Dilemma konfrontiert, wie sie mit dem Kind umgehen soll: Kann sie es retten? Was kann sie dabei verlieren? Ich fand es spannend zu fragen, wie weit die Grenzen von Mutterliebe gehen.

Inwieweit war „Pelikanblut“ ausschlaggebend dafür, dass Netflix für „Die Kaiserin“ mit Ihnen zusammengearbeitet hat?
Die Serienmacherin Katharina Eyssen hatte Pelikanblut zuvor gesehen. Sie fand es toll, wie ich Frauenfiguren führe, was für eine starke Atmosphäre ich kreiert habe, und dass ich auch mit Pferden gearbeitet habe (lacht).

Sie leben in Hamburg. Geboren sind Sie aber in Ibbenbüren und aufgewachsen in Hörstel. Was verbindet Sie noch mit dem Münsterland? 
Ein paar Freunde, die Familie. Ich bin sehr gerne auf dem Land. In der Großstadt ist immer alles so schnell, so wild, es gibt immer so viele Möglichkeiten. In der Stadt vermisse ich manchmal eine gewisse Art von Einfachheit, die einen früher sehr kreativ werden ließ. Die Freundschaften damals waren sehr fest, nachdem man seinesgleichen endlich gefunden und gemeinsam etwas auf die Beine gestellt hatte.


Das Interview haben wir für Heft 1/2023 des Westfalenspiegel geführt. Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Gerne senden wir Ihnen kostenlos zwei Hefte im Rahmen unseres Schnupperabos zu. Einfach hier klicken


Wie sind Sie dazu gekommen, Filmemacherin zu werden? 
In Ibbenbüren gab es kein Arthaus-Kino, ich habe nachts durch Zufall meine ersten Filme gesehen, die unkonventioneller waren. Nach dem Abi habe ich mich für etwas Kreatives wie Grafikdesign interessiert und für Psychologie. In den Niederlanden konnte man beides sehr gut studieren. Ich bin in Enschede auf die Kunsthochschule gegangen und habe dort gemerkt, dass mir Filmemachen liegt. Die Kunsthochschule hat mir die Augen geöffnet.

Was sind Ihre Lieblingsfilme?
Filme, die philosophische Fragen aufwerfen, wie „Clockwork Orange“. Auch die Regisseure Lars von Trier und Michael Haneke haben mich geprägt. Bei Haneke mochte ich immer, dass er viele gesellschaftliche Fragen aufwirft. Bei Lars von Trier ist jedes seiner Projekte ein Unikat, er versucht sich immer wieder neu zu erfinden.

Was machen Sie jetzt nach dem Erfolg von „Die Kaiserin“?
Ich arbeite gerade an zwei eigenen Projekten: ein Spielfilm zwischen Drama und Satire und eine Serie im Stil des erotischen Thrillers, beides historisch, aber ganz unterschiedlich. Ich finde es spannend, immer etwas Neues auszuprobieren.

Interview: Martin Zehren

Einfach Probelesen

Spannende Architektur
Bauwerke der Boomjahre

Jetzt im aktuellen WESTFALENSPIEGEL

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft, Kultur"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin