Ist der Gesundheitskiosk ein Zukunftsmodell? Hier eine Anlaufstelle in Hamburg Bramfeld. Foto: AOK Rheinland/Hamburg
22.03.2024

Erste Hilfe am Gesundheitskiosk

In Bochum und Dortmund sollen bald Gesundheitskioske eröffnen, um bei Fragen rund um die medizinische Versorgung und Vorsorge zu unterstützen – solche Projekte sind umstritten.

Die Gesundheitskioske sollen vor allem in sozial benachteiligen Quartieren eine Anlaufstelle für Menschen sein, die Schwierigkeiten haben, sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden. So soll der Dortmunder Kiosk Mitte 2024 in der Nordstadt eröffnen und sich vor allem an Familien wenden. Statistiken und Erfahrungen zeigten, dass Kinder in dem Quartier überdurchschnittlich häufig unter Probleme mit der Zahngesundheit, Übergewicht oder auch Verhaltensauffälligkeiten leiden, sagte Dortmunds Jugenddezernentin Monika Nienaber-Willaredt.

Hier will die Einrichtung ansetzen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitskioske unterstützen Bürgerinnen und Bürger unter anderem dabei, Termine bei Ärzten zu vereinbaren, sie beraten in Sachen Gesundheitsvorsorge und helfen weiter, wenn es Verständnisschwierigkeiten in Sachen Diagnose und Therapie gibt.  In Bochum ist eine Einrichtung im Stadtteil Wattenscheid geplant.

Mobiles Angebot im Kreis Unna

Im Kreis Unna gibt es bereits Erfahrungen mit dem Gesundheitskiosk. Im Juli vergangenen Jahres startete dort ein rein mobiles Angebot. Die Gesundheitslotsen steuern im weitläufigen Kreisgebiet vor allem solche Quartiere an, in denen soziale und gesundheitliche Probleme verbreitet sind. „Die Hemmschwelle, selbst einen Arzt oder ein Angebot aufzusuchen, ist mitunter groß. Erst recht, wenn zum Beispiel die Sprachkenntnisse nicht ausreichen, um sich sicher zu verständigen“, sagt Thekla Pante, die beim Gesundheitsamt des Kreises Unna für den Mobilen Gesundheitskiosk zuständig ist.

Die Gesundheitslotsen Jaques Tagne Mambou und Jana Krethen sind im Kreis Unna mit dem Mobilen Gesundheitskiosk im Einsatz. Foto: Kreis Unna

Die Gesundheitslotsen Jaques Tagne Mambou und Jana Krethen sind im Kreis Unna mit dem Mobilen Gesundheitskiosk im Einsatz. Foto: Kreis Unna

Das Ziel des Teams ist es, Menschen möglichst früh in die passende gesundheitliche Versorgung zu vermitteln. Dabei geht es darum, Folgeerkrankungen oder auch Klinikeinweisungen möglichst zu vermeiden. „Vielen fällt es schwer, die Zuständigkeiten im Gesundheitssystem zu durchschauen oder sie geben vielleicht auf, wenn sie bei der Suche nach einem Arzt von einer Praxis eine Absage erhalten“, berichtet Thekla Pante.

Der Kontakt vor Ort, ob in Kitas, Integrationszentren oder auch Seniorencafés, erweise sich häufig als eine Art Türöffner: „Viele Menschen kommen dann mit ihren Problemen auf uns zu und suchen die Unterstützung.“ Das Team des Mobilen Gesundheitskiosk besteht aktuell aus drei Mitarbeitenden. Alle haben eine medizinische Ausbildung absolviert und zusätzlich ein Bachelor-Studium im Bereich Gesundheit abgeschlossen. Bei Bedarf werden Präventionsveranstaltungen zu Gesundheitsthemen mit Experten geplant, zum Beispiel über Zahngesundheit.

Kritik vom Präsident der Bundesärztekammer

Gesundheitskioske sind ein wichtiges Projekt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, rund 1000 dieser Anlaufstellen sollen bundesweit entstehen, um eine niedrigschwellige medizinische Versorgung zu sichern und Krankheiten vorzubeugen. Die ersten Kioske eröffneten 2022 in Hamburg, auch in Essen ging bereits vor zwei Jahren ein Gesundheitskiosk an den Start. Das Modell, das mit Bundesmitteln und teilweise auch von Krankenkassen finanziert wird, ist umstritten. In Hamburg stiegen drei Krankenkassen aus der Finanzierung des Gesundheitskiosk aus, von teuren und überflüssigen Doppelstrukturen war die Rede.

Auch Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Hausarzt in Bielefeld, äußerte sich 2023 im Interview mit dem WESTFALENSPIEGEL kritisch. Gesundheitskioske könnten in einigen Großstädten als erste Anlaufstelle dienen. Entscheidend, um die Versorgung einer älter werdenden Gesellschaft zu gewährleisten, sei es aber vielmehr, die hausärztlichen Praxen zu stärken, sagte er.

Dortmund startet im Mai

In Dortmund sieht Oberbürgermeister Thomas Westphal den für Mitte 2024 geplanten Gesundheitskiosk als „einmalige Gelegenheit“ – Miete, Personal und die technische Ausstattung für das bis Ende 2026 befristete Projekt würden schließlich aus Bundesmitteln realisiert. „Damit bieten wir den Menschen einfache Zugänge zu unserem Gesundheitssystem und Orientierung für alle, die sich darin nicht zurechtfinden“, so Westphal.

aki, wsp

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