Nach Angaben der Emschergenossenschaft und des Lippeverbands werden auch im Klärwerk Dülmen Proben für das Corona-Forschungsprojekt genommen. Foto: Michael Kemper/EGLV
22.05.2020

Forschung: Kläranlagen als Corona-Frühwarnsystem

Wissenschaftler wollen mit Hilfe von Abwasseranalysen ein Corona-Frühwarnsystem entwickeln. Hierzu werden auch Wasserproben aus Kläranlagen in Westfalen untersucht.

An den verschiedenen Untersuchungen sind Kläranlagen aus ganz Deutschland beteiligt. Proben werden auch in Anlagen der Emschergenossenschaft und des Lippeverbands in Dortmund, Bottrop oder Dülmen gezogen.

Die Forscher wollen bei ihren Analysen die Konzentration der Coronaviren im Abwasser ermittelt. Daraus sollen dann Rückschlüsse gezogen werden, wie hoch der Infektionsgrad in der Bevölkerung ist. In solchen Messungen stecke großes Potenzial für die Etablierung eines räumlich differenzierten, kontinuierlichen Frühwarnsystems, etwa um die Folgen von Lockerungsmaßnahmen zu beobachten und wenn nötig nachzusteuern, so das Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), das eine der Studien gemeinsam mit weiteren Partnern durchführt.

Ziel sollte es sein, etwa 80 Prozent des gesamten Abwasserstroms in Deutschland täglich zu erfassen. Hierzu müssten an rund 900 Kläranlagen Proben entnommen werden. „Das wäre zwar eine aufwendige, jedoch keinesfalls unmögliche Aufgabe, die – gemessen an der Aussicht, Infektionsherde bundesweit früh quantitativ, örtlich differenziert und in ihrem zeitlichen Verlauf erfassen zu können – überschaubare Kosten erzeugen würde“, so das UFZ weiter.

Informationen zum Infektionsgrad der Bevölkerung

Bei der Forschung geht es auch darum, der Dunkelziffer von Infektionen auf die Spur zu kommen. Primär wird in Deutschland symptombezogen auf das Coronavirus getestet. Dadurch bleiben Infektionen, die mild oder ohne Krankheitserscheinungen verlaufen, unentdeckt. Weil Rückstände von Viren – auch des Coronavirus – mit den Fäkalien ins Abwasser gelangen, könnte die Analyse des Abwassers einen Hinweis auf die Durchseuchung der Bevölkerung geben. Auch eine regionale Unterscheidung sei möglich, da man die Einzugsgebiete der Kläranlagen berücksichtigen könne.

Eine der schwierigsten Aufgaben der Forscher ist es, eine Methode zu entwickeln, um schon geringste Konzentrationen an Viren, die zudem starken Schwankungen unterworfen sind, zuverlässig in den Abwasserproben zu erfassen.

Die Idee des Abwassermonitorings ist nicht neu. Ähnliche Untersuchungen seien bereits im Rahmen des Drogenscreenings und im Zusammenhang mit Polio-Impfmaßnahmen erfolgreich durchgeführt, heißt es weiter. In Bezug auf das SARS-Coronavirus-2 hätten zudem bereits im Februar dieses Jahres niederländische Kollegen berichtet, dass sie wenige Infizierte pro 100.000 Personen anhand des Erbguts von SARS-CoV-2 in Abwässern aus sechs Kläranlagen mit hoher Empfindlichkeit erfasst haben.

jüb/wsp

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