„Es war eine Zeit mit vielen Höhepunkten, Herausforderungen und einer Vielzahl begeisternder Begegnungen“. Foto: LWL/Wieland
28.06.2022

„Gemeinsam handeln und gewinnen“

Matthias Löb, Chef des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, zieht am Ende seiner Amtszeit Bilanz. Ende Juni verlässt er den LWL.

Herr Löb, Ihre achtjährige Amtszeit als LWL-Direktor endet am 30. Juni. War es eine gute Zeit?
Es war eine tolle, sehr bewegte Zeit – mit vielen Höhepunkten, Herausforderungen und einer Vielzahl begeisternder Begegnungen. Es gab die große Show im öffentlichen Rampenlicht wie die Eröffnung unseres Kunstmuseums 2014 in Münster und der Skulpturen Projekte 2017. Es gab aber auch tief berührende Momente ohne Aufsehen – auf Pflegestationen, in Förderschulen oder bei Menschen mit Beeinträchtigungen, die ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Und die kleinen und großen Krisen, bei deren Bewältigung ich Verantwortung übernehmen durfte, haben mir immer wieder gezeigt, dass der LWL zwar ein „großer Tanker“ ist, dass er aber liefert, wenn es darauf ankommt.

Sie haben direkt nach dem 2. Staatsexamen als junger Jurist beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe angefangen. Haben Sie sich damals vorstellen können, mal an der Spitze des Verbandes zu stehen? 
Naja, meine Examina waren nicht so schlecht, so dass mein Karriereziel schon das eines Beigeordneten war. Ich war dabei übrigens nicht auf den LWL festgelegt. Es hat sich dann eins zum andern gefügt, nach gut 10 Jahren war ich Baudezernent, vier Jahre später allgemeiner Vertreter und Kämmerer und damit fühlte ich mich gut vorbereitet für die Übernahme der Spitzenposition nach weiteren drei Jahren.

Sie sind jetzt seit 26 Jahren beim Landschaftsverband. Sie kannten den LWL quasi wie Ihre eigene Westentasche und wussten, was Sie erwartet, als Sie 2014 zum LWL-Direktor gewählt wurden. Welche Überraschungen gab es? 
Als junge Führungskraft habe ich gelernt, dass ich nicht eine bestimmte Rolle spielen sollte, sondern dass es darum geht, authentisch, gerecht und entscheidungsfreudig im Umgang mit Beschäftigten zu sein. Es gehört für mich sicher zu den wichtigsten und positiven Erfahrungen, dass Vertrauen in die Belegschaft nicht enttäuscht wird, sondern im Gegenteil die Identifikation mit dem LWL und die Motivation für die jeweilige Aufgabe steigert. Für mich immer wieder beglückend war auch die Begegnung mit ehrenamtlich engagierten Bürgern und Bürgerinnen z. B. in den Heimatvereinen oder mit Unternehmern, die Werte in unserer Region schaffen und die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

In einer Grundsatzrede warnte Matthias Löb im Herbst 2021 in der Landschaftsversammlung vor Gefahren für die kommunale Selbstverwaltung. Foto: Foto LWL/Tronquet

In einer Grundsatzrede warnte Matthias Löb im Herbst 2021 in der Landschaftsversammlung vor Gefahren für die kommunale Selbstverwaltung. Foto: Foto LWL/Tronquet

Gab es auch negative Erfahrungen?
Schade finde ich, dass es auch mir nicht gelungen ist, das Interesse am LWL und seinen wichtigen Aufgaben in der Landespolitik, aber selbst bei einigen unserer „Zahler“, also den Kreisen und kreisfreien Städten zu steigern.

Bei Ihrer Antrittsrede sprachen Sie vom LWL als „Ideenküche“ für eine Bürgergesellschaft von morgen. Um im Bild zu bleiben, welche „Gerichte“ hat diese Küche serviert?
Da fiele mir Manches ein: Von vorbildlichen Ansätzen interkultureller Psychiatrie oder in der Behandlung zu Hause, das sogenannte Home Treatment, über die bundesweit richtungsweisenden Projekte unserer Koordinationsstelle Sucht, über ein Projekt zur Zukunft der Dörfer bis hin zu unserem weit gespannten und hoch akzeptierten Netzwerk „Kultur in Westfalen“.

Und gibt es ein „Lieblingsgericht“? 
Persönlich besonders stolz bin ich auf die Neuaufstellung der fusionierten Provinzial-Versicherung und auf unsere SeWo GmbH. Darüber fördern wir Modellprojekte, in denen wir zeigen, wie selbstständiges Wohnen auch für Menschen mit schwersten Behinderungen gelingen kann. Vorbildgebend für Kommunalverwaltungen ist beispielsweise auch unser integriertes Klimaschutzkonzept, welches gegenwärtig beraten wird.

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Was hätten Sie gerne noch erreicht?
Ich hätte gerne wieder Beteiligungen des LWL im öffentlichen Personennahverkehr, da ich meine, dass einige Dinge auf einer räumlich größeren Ebene besser angesiedelt sind. Vor allem aber habe ich etliche vergebliche Bemühungen unternommen, um eine Plattform zu initiieren, auf der sich die westfälischen Teil-Regionen austauschen und abstimmen können. Von der Notwendigkeit bin ich sehr überzeugt, aber dafür scheint der Zeitpunkt noch nicht reif zu sein. Schließlich hätte ich mir gewünscht, dass der LWL sich auf allen seinen Aufgabenfeldern noch stärker dafür einsetzt, dass bürgerschaftliches Engagement befördert und entlastet wird.

Nicht nur als LWL-Direktor, auch als Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes haben Sie sich intensiv mit der Region beschäftigt. Wie tickt Westfalen? 
Die Region Westfalen-Lippe ist mit 8,3 Millionen Einwohnern zu groß, als dass ihr bestimmte stereotype Zuschreibungen gerecht würde. Überall haben die Menschen gelernt, mit Strukturveränderung und Wandel zurecht zu kommen, überall sehe ich nachahmenswerte Beispiele von Bürgersinn und Einsatz für das Dorf oder den Stadtteil.

Welche Herausforderungen ergeben sich aus der besonderen Struktur mit urbanen Zentren und ländlichen Räumen? 
Urbane Räume und die wirtschaftlich starken ländlich geprägten Räume Westfalens haben unterschiedliche Herausforderungen und brauchen daher auch unterschiedliche Lösungen. Städte und ländliches Umland können aber nur gemeinsam gewinnen. Was ist eine Stadt wie Münster ohne die Münsterlandkreise? Und das Ruhrgebiet wird in erheblichem Umfang profitieren, wenn es sich an den Rändern öffnet und Austausch zulässt, so wie es ja auch über Jahrhunderte der Fall war.

Westfälinnen und Westfalen sind für ihre Bodenständigkeit und Verlässlichkeit bekannt. Wie lassen sich diese Stärken nutzen? 
Ich habe ja gerade etwas über stereotype Zuschreibungen gesagt. Allerdings erzähle ich in Vorträgen auch gerne, dass man sich solche Zuschreibungen, wenn sie denn positiv sind, durchaus auch zunutze machen kann. Ich finde beispielsweise, dass man besonders über Unternehmerinnen und Unternehmer reden soll, denen nicht an einer Gewinnmaximierung gelegen ist, sondern denen es um eine Wertschöpfung in der Region, um gute Arbeitsbedingungen und um ein gelingendes Gemeinwesen geht. Die Westfalen-Initiative hatte einmal den Slogan: „Westfalen soll die Region in Deutschland für das Ehrenamt werden.“ Über den westfälischen Heimatbund, die Dachorganisation der Heimatbewegung in Westfalen, tun wir sehr viel dafür, dass diese Vision eines Tages Wirklichkeit wird.

„Überall sehe ich nachahmenswerte Beispiele von Bürgersinn und Engagement.“ Foto: LWL/Haslauer 

„Überall sehe ich nachahmenswerte Beispiele von Bürgersinn und Engagement.“ Foto: LWL/Haslauer

Wie kann Westfalen-Lippe im sich immer weiter verschärfenden Wettbewerb der Regionen bestehen?
Zunächst einmal finde ich es sehr positiv, dass sich mit dem Münsterland, mit OWL und mit Südwestfalen starke Teil-Regionen gebildet haben, in denen nicht nur über Zusammenarbeit gesprochen, sondern wo sie auch gelebt wird. Die Frage ist, ob solche Regionen mit 1 bis 2 Millionen Einwohnern auf Dauer im Wettbewerb der Regionen bestehen werden. Es gibt nach wie vor gute Gründe dafür, dass sich Unternehmen auch für Standorte jenseits der großen Städte entscheiden. Die Frage, die sich immer drängender stellt ist aber: woher kommen die Arbeitskräfte? Der Kampf um die besten Köpfe hat schon lange begonnen. Heute entscheidet nicht mehr der unbefristete Arbeitsvertrag oder das Gehalt, sondern die Lebensqualität insgesamt darüber, wo sich ein junger Mensch niederlässt. Die Regionen also, die beispielsweise am Kulturleben oder am ÖPNV zur nächst größeren Stadt sparen, die werden nach meiner Überzeugung diesen Kampf verlieren.

Auch der LWL steht vor enormen Herausforderungen, wie in der letzten Haushaltsdebatte deutlich wurde. Was wünschen Sie dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe für die Zukunft? 
Das wichtigste Kapital des LWL sind seine 19.000 Beschäftigte. Sie sind diejenigen, die täglich ihren Dienst für die Menschen in Westfalen-Lippe leisten und sie sind das Gesicht des LWL. Ich würde mir wünschen, dass die Kultur des Vertrauens, die ich versucht habe aufzubauen, dass die weiter wächst und gepflegt wird. Und ich wünsche dem LWL, dass aus diesem Vertrauen auch der Mut zu schlanken Entscheidungs- und Führungsstrukturen erwächst. Denn in einer immer schnelleren und komplexeren Welt, bei immer weniger Personal, werden wir die Herausforderungen sonst nicht bestehen. In finanzieller Hinsicht hoffe ich, dass wir noch einmal mit Bund und Land über eine faire Lastenverteilung diskutieren können: Es kann doch nicht sein, dass die kommunale Familie mit der wichtigen, aber kostenintensiven Aufgabe der Teilhabe von Menschen mit schweren Behinderungen alleine gelassen wird.

Werden Sie Westfalen erhalten bleiben? Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten Monate, die nächsten Jahre aus? 
Ich habe natürlich Kontakte zu vielen Menschen, die bereits aus dem Berufsleben ausgeschieden sind. Die haben mir alle geraten: lege dich nicht zu früh fest! Ich selbst bin jetzt erst 58 Jahre, habe also hoffentlich noch einige gesunde Jahre voller Schaffenskraft vor mir. Ich werde zum LWL und seinen Aufgabenbereichen einen klaren Schnitt machen, damit ich meinem Nachfolger nicht im Wege stehe. Und ich werde jetzt nach vielen Reden über das Ehrenamt auch selbst mal „Hand anlegen“.

Drei kurze Antworten bitte am Schluss:

Heimat ist für mich…
… das, was ich am meisten vermisse, wenn ich weg bin: meine Familie, meine Freunde, mein Zuhause.

Westfalen ist wie ein Garten, in dem …
… viele bunte Blumen blühen. Dabei sind die prächtigsten oft nicht die wichtigsten.

Das Schönste am Wandern ist…
… die Entschleunigung: Das Lauschen auf den eigenen Atem, dass sich Einlassen auf die Schöpfung Gottes, die sich auch im Kleinsten offenbart. Und natürlich das Butterbrot bei der verdienten Rast!

Interview: Klaudia Sluka

Matthias Löb: Foto: LWL/MArtin Steffen

Matthias Löb: Foto: LWL/MArtin Steffen

Matthias Löb, geb. 1964, ist seit dem 1. Juli 2014 Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes. Der gebürtige Niedersachse kam nach seinem Jurastudium in Münster 1996 zum LWL. Berufliche Stationen waren die Personalabteilung und das Krankenhausdezernat. Drei Jahre lang war Matthias Löb Persönlicher Referent des damaligen LWL-Direktors. Seit 2001 arbeitete er als Referatsleiter und seit 2005 als Stellvertreter des Kulturdezernenten in der LWL-Kulturabteilung. Im April 2007 übernahm er als Wahlbeamter die Leitung des neu gebildeten Dezernates Kommunale Versorgungskassen und LWL-Bau- und Liegenschaftsbetrieb. Von November 2011 bis Juni 2014 war Matthias Löb Erster Landesrat und Kämmerer des LWL und damit auch Vertreter des LWL-Direktors.

Matthias Löb ist bekennender Westernfan und leidenschaftlicher Hobbygärtner, entspannen kann er aber auch beim Wandern, Lesen, Doppelkopf-Spielen oder beim Billard.

Das Interview ist aus Heft 3/2022 des WESTFALENSPIEGEL. Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Gerne senden wir Ihnen im Rahmen unseres Probeabos kostenlos zwei Magazine zu. Hier geht es zum Probeabo.

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