Organspenden bleiben in Deutschland nur mit ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt. Foto: pixabay
17.01.2020

Geteiltes Echo auf Organspendereform

Transplantationsmediziner in Westfalen bedauern die Entscheidung des Bundestages gegen die doppelte Widerspruchslösung beim Thema Organspende. Die beiden großen Kirchen sind dagegen erleichtert.

„Ich finde es schade, dass die doppelte Widerspruchslösung bei der Abstimmung im Bundestag nicht durchgekommen ist. Damit ist die Chance auf eine weitreichende und umfassende Lösung für die nächsten zehn Jahre vertan“, sagt Prof. Hugo Van Aken, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Münster. Er hofft darauf, dass die nun vom Bundestag verabschiedete erweiterte Zustimmungslösung die Lage für die Patienten, die auf ein lebensrettendes Organ warten, wirklich verbessert. „Allerdings zweifle ich daran, ob es praktikabel ist, dass die Menschen von Behörden angesprochen werden, damit sie einer Organspende zustimmen“, so Van Aken. Allein am UKM warten derzeit 664 Patienten auf ein Organ. Im vergangenen Jahr wurden dort 159 Organe gespendet.

Behörden sollen über Organspende informieren

Der Bundestag hatte am Donnerstag (16.01.2020) den Antrag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn abgelehnt, wonach jeder Bürger, der nicht widerspricht, als Organspender registriert worden wäre. Diese Lösung gilt in vielen anderen EU-Staaten. Stattdessen stimmte die Mehrheit der Abgeordneten dafür, dass sich Bürger informiert für oder gegen eine Organspende entscheiden können. So bleiben Organspenden in Deutschland nur mit ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt. Die Bürger sollen aber regelmäßig bei Hausarztbesuchen und bei Behördengängen, zum Beispiel bei der Abholung eines neuen Personalausweises, auf das Thema aufmerksam gemacht werden.

Professor Richard Viebahn vom Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus in Bochum respektiert die Parlamentsentscheidung. „Aber man muss sicher auch festhalten, dass sich dadurch nichts am gravierenden Missverhältnissen zwischen Organspendern und den Menschen, die auf ein lebensrettendes Organ warten, verändert hat“, so Viebahn, der Leiter der Ethikkommission der Deutschen Transplantationsgesellschaft ist. Der Mediziner sieht Probleme darin, dass nun medizinische Laien bei Behörden auf das Thema Organspende verweisen müssen. „Aber auch ich als Befürworter der Widerspruchslösung verstehe die ethischen und moralischen Argumente der Gegner dieser Lösung“, sagt Viebahn.

Kirchen äußern sich positiv zur Neuregelung

Die beiden großen Kirchen begrüßten dagegen das Votum. Die neue Regelung setze „ein wichtiges Zeichen für den Erhalt und Schutz grundlegender (medizin)ethischer und grundrechtlicher Prinzipien, auf denen das Wertefundament unserer Gesellschaft fußt“, teilt die Deutsche Bischofskonferenz mit. Und Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen sagte, sie begrüße die vom Bundestag verabschiedete Zustimmungslösung, „weil ich sie für die angemessenste und hilfreichste Option in dieser zutiefst existenziellen Frage halte. Klar ist: Es muss in unserem Land unbedingt mehr Organspenden geben, um todkranken Menschen das Leben zu retten. Ebenso klar ist aus meiner Sicht: Da diese Frage die hochsensible Grenze zwischen Leben und Tod berührt, bedarf sie einer bewussten und freiwilligen persönlichen Entscheidung des einzelnen Menschen.“

wsp

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