26.09.2011

Interviewserie „Wer entscheidet in Westfalen?“: NRW-Umweltminister Johannes Remmel

Westfalen (wh). Als Landtagsabgeordneter der Grünen vertritt Johannes Remmel im Düsseldorfer Landtag die Interessen seiner Heimat Siegen-Wittgenstein, als Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz ist er im ganzen Land aktiv. Im Interview mit "Westfalen heute" spricht der 49-Jährige über sein "Standbein" in Südwestfalen, starke Dörfer und einen Nationalpark Teutoburger Wald.

Seit rund einem Jahr regieren Sie als Umweltminister in einem Bindestrichland. Welche Rolle spielt diese Struktur bei Ihrer Arbeit?
Johannes Remmel: Der Bindestrich ist für mich eigentlich gar kein "Strich", sondern ein "Plus" oder besser noch ein "Malzeichen": Westfalen mal Rheinland mal Lippe, das ist unser Bundesland! Ich erlebe " gerade in meinem jetzigen Amt, in dem ich mehr noch als zuvor Tag für Tag in ganz Nordrhein-Westfalen unterwegs bin " die Vielfalt und den Reichtum unserer Regionen: starke Industrieregionen, starke ländliche und landwirtschaftlich geprägte Regionen, starke kulturelle und auch kulinarische Traditionen " zum Beispiel den westfälischen Knochenschinken, das rheinische Rübenkraut oder Pumpernikel " und eine landschaftliche Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Mit meiner Arbeit möchte ich zur Stärkung dieser regionalen Vielfalt unseres Bundeslandes beitragen. Dass ich als gebürtiger Siegerländer dabei eine besondere Verwurzelung in Südwestfalen habe, gehört sicher dazu. Dort steht sozusagen mein "Standbein" " mit meinem "Spielbein" bin ich in ganz NRW unterwegs.

"Die Zukunft kommt vom Land" sagten Sie einmal. Ist Westfalen damit eine Zukunftsregion?
Remmel: Über die Zukunft einer Region entscheiden aus meiner Sicht vor allem vier Faktoren: eine starke Wirtschaftsstruktur mit zukunftsfesten Arbeitsplätzen, eine gute Bildungslandschaft vom Kindergarten über die Schule, die betriebliche und universitäre Ausbildung bis hin zu einem reichhaltigen Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten, starke Städte, Gemeinden und Dörfer und eine intakte Natur und Umwelt und Menschen aller Lebensalter, die sich aktiv für ihr Gemeinwesen einsetzen. All das finden Sie in Westfalen: Menschen, die engagiert und kreativ mit den Herausforderungen der Zukunft umgehen, ob an der Uni, in der Firma oder im Stall; intakte Lebensräume, zum Beispiel das weitgehend unzerschnittene Wittgenstein, eine starke Industrieregion im Grünen in der sogar Spielfilme wie "Das Dschungelkind" oder "Tannöd" gedreht werden; Kommunen, die sich mit der Herausforderung der demografischen Entwicklung aktiv auseinandersetzen und auch zu Lösungen kommen, wenn ich nur an die münsterländische Gemeinde Laer denke, die als das "Eldorado der Familienfreundlichkeit" international bekannt wurde. Wir haben starke Unis, sind mit der Sekundarschule gerade für die ländlichen Regionen auf einem guten schulpolitschen Weg. Und wir sind aufgrund der starken und belastbaren mittelständischen Struktur unser Wirtschaft sehr gut durch die Krisen der letzten Jahre gekommen. Das alles verdient Respekt " und zwar zuallerst vor den Menschen in Westfalen, die das zuwege bringen.Ich bin davon überzeugt: "Zukunft kommt vom Lande!"

Zieht es einen grünen Umweltminisiter eigentlich noch oft selbst ins Grüne?
Remmel: Ziehen tut es schon. Wollen will ich auch, wenn ich könnte wie ich wollte, würde ich mit meiner Familie und meinem Hund Ronja viel öfter durch die Wälder im Siegerland streifen. Aber in der Zeit, die mir mein Job lässt, zieht es mich ins Grüne oder auch ans Blaue – denn auch das haben wir ja: Flüsse wie die Pader oder die Lippe, Talsperren wie die Eder, die Lister oder die Bigge! Und viele Veranstaltungen, zu denen ich in Westfalen eingeladen werde, finden ja zum Glück auch an der frischen Luft statt, ob nun der Besuch eines Bauernhofs, eines Windparks oder einer Tierschau. Man darf nicht nur über die Natur reden, man muss sie auch erleben, um sie schätzen und sich für sie einsetzen zu können. Manchmal sind meine Schuhe erdiger, als es für einen Minister üblich ist…

Was sind denn Ihre Lieblingsziele?
Remmel: Natürlich die heimischen Wälder, aber ich nenne keinen konkreten Ort, weil ich dann alle Orte nennen müsste! Ich sage Ihnen aber gern, wohin es mich zieht: dahin, wo ich mich über die Schönheit unser Natur freuen kann, dahin, wo es nicht zu "laut" ist, dahin, wo ich etwas von den Traditionen und Besonderheiten Westfalens und seiner Menschen erleben kann. Dahin also, wo ich etwas vom Charme dessen spüre, was wir Christen "Schöpfung" nennen. Und das geht überall in Westfalen!

Könnte bald ein "Nationalpark Teutoburger Wald" hinzukommen?
Remmel: Ja! Ein Gutachten des Landesamtes für Umwelt und Naturschutz vom Juni 2011 hat gezeigt, dass die Nationalpark-Vorgaben erfüllt sind. Die Mischung aus alten Buchenwäldern, Höhlen und Sandböden ist genauso einzigartig wie die bemerkenswert große Artenvielfalt. Aber nicht nur das. Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit, das Gelände einmal mit einem Hubschrauber zu überfliegen. Das war unvergesslich " fast wie im Serengeti-Park, dieser Natur-Reichtum! Es ist ja so: Nationalparke werden nicht nur für den Erhalt von Tieren und Pflanzen eingerichtet, sondern auch für das Erleben einer unberührten Landschaft für den Menschen. Wanderwege, Erlebnispfade, Führungen, Ausstellungen und eine entsprechende Infrastruktur für die touristische Nutzung machen Nationalparke erlebbar und können gleichzeitig auch zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung der gesamten Region beitragen. Ein Nationalpark Teutoburger Wald wäre ein Riesengewinn für unser Land.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten " welches Umweltprojekt würden Sie sofort umsetzen?
Remmel: Weil ich von allen Umweltprojekten, die wir uns vorgenommen haben, überzeugt bin, und weil ich ein ziemlich ungeduldiger Mensch bin, würde ich am liebsten antworten: alle! Aber Sie wissen ja, Politik braucht einen langen Atem, und daran ändert auch ein Ministeramt nichts. Also arbeiten wir gemeinsam, zielstrebig und hartnäckig einer guten Zukunft unseres Landes " das ist es, was uns als Westfalen ausmacht!

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