Kundgebung der Gewerkschaft ver.di im aktuellen Tarifstreit. Foto: Imago / Funke Foto Services
17.03.2023

Millionenkosten für Kommunen

Der Tarifstreit im öffentlichen Dienst belastet die kommunalen Arbeitgeber: es droht eine erhebliche Kostensteigerung im Personalbereich.

Die bisherigen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst zwischen Arbeitgebern und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sowie dem Deutschen Beamtenbund (DBB) sind gescheitert. Zu weit lagen die Forderungen der Gewerkschaften und das Angebot der Arbeitgeber bisher auseinander. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent, monatlich jedoch mindestens 500 Euro mehr Gehalt. Die Arbeitgeber hatten eine lineare Erhöhung der Löhne um drei Prozent in diesem Jahr und von weiteren zwei Prozent im kommenden Jahr angeboten. Zusätzlich sollte es Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro geben.

Beide Abschlüsse würden die ohnehin vielerorts klammen Kommunen vor große Herausforderungen stellen. So hat etwa der Rat der Stadt Siegen in seinem Haushaltsetat für 2023 die Aufwendungen für Personal, das dem TVöD unterliegt, mit rund 68,7 Millionen Euro angegeben, so eine Sprecherin der Stadt gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL. In die Kalkulation für die Personalkosten „eingepreist“ sei eine tarifliche Steigerung von drei Prozent, also rund zwei Millionen Euro, für das gesamte Jahr 2023. Damit wäre das bisher vorgelegte Arbeitgeber-Angebot abgedeckt. Würde allerdings die Maximalforderung der Gewerkschaften umgesetzt, kämen bis zu acht Millionen Euro Mehrkosten im Personalwesen auf die Stadt Siegen zu, heißt es.

LWL rechnet mit hohen Mehrkosten

Mit rund 20.000 Beschäftigten ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) einer der größten kommunalen Arbeitgeber in Westfalen. „Die direkten Personalkosten würden bei Umsetzung der Gewerkschaftsforderung allein in 2023 um rund 120 Millionen Euro steigen“, so der LWL auf Anfrage. Allerdings wirken sich die Tarifabschlüsse im Landschaftsverband nicht nur auf die Personalkosten aus, sondern beeinflussen auch maßgeblich den Großteil der Leistungen, die der LWL zu finanzieren hat, heißt es weiter. So erbringen rund 50.000 Menschen in Westfalen-Lippe Leistungen der sogenannten Eingliederungshilfe und weiterer sozialer Leistungen für Kinder und Erwachsene und werden durch den LWL mittelbar finanziert. „Die gesamten Sozialaufwendungen machen beim LWL allein im Jahr 2023 über 3,5 Milliarden Euro aus. Diese sind ebenfalls maßgeblich durch die tarifliche Entwicklung bestimmt. Hier würde eine vollständige Umsetzung der Gewerkschaftsforderung in 2023 über 300 Millionen Euro kosten“, so ein LWL-Sprecher.

Würde dagegen das Angebot der Arbeitgeberseite akzeptiert, stiegen die direkten Personalkosten im LWL um 30 Millionen Euro, im Bereich der sozialen Transferleistungen würden Mehrkosten von rund 80 Millionen Euro entstehen. Diese Beträge entsprechen auch in etwa der Haushalts- und Finanzplanung des LWL und seiner Einrichtungen, heißt es weiter. Tarifabschlüsse zählten zu den Kostentreibern, die nicht unmittelbar beeinflussbar seien, so der LWL. An welchen Stellen stattdessen gespart werden kann, soll dem Westfalenparlament im Haushaltsplanentwurf 2024 vorgelegt werden.

Dilemma der Tarifparteien

Die Stadt Minden rechnet vor, dass jedes Prozent Tariferhöhung dort aufs Jahr gerechnet etwa 0,5  Millionen Euro Personalkosten verursacht. Vorausschauend hat die Stadt im Haushalt 2023 etwa 1,5 Millionen Euro für die Auswirkungen einer Tariferhöhung eingeplant. Ein Abschluss in Höhe von plus 10,5 Prozent würde allerdings insgesamt etwa 6,3 Millionen Euro Personalkostenerhöhung auslösen und damit rund 4,8 Millionen Euro mehr als im Haushaltsplan vorgesehen. Das bisher vorliegende Arbeitgeberangebot würde rund zwei Millionen Euro über der für 2023 im Haushaltsplan vorgesehenen Personalkostenerhöhung liegen.

Bürgermeister Michael Jäcke sieht die Tarifvertragsparteien in einem sprichwörtlichen Dilemma: „In dem Maße, wie die Kolleginnen und Kollegen es verdient haben, ihre Arbeit angemessen bezahlt zu bekommen, sind die Rahmenbedingungen für die öffentlichen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, dies auch zu tun, schwieriger geworden.“ Die Kommunen stehen vor allem durch die Verteuerung von Energie sowie die allgemeine Kostensteigerung unter Druck.

Ver.di: „Es brodelt im öffentlichen Dienst“

Ver.di weist darauf hin, dass es im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen „brodelt“. „Die Beschäftigten haben den Eindruck, mit einem wachsenden Berg von Aufgaben und Anforderungen allein gelassen zu werden. Die Personallücken werden angesichts wachsender Aufgaben immer größer. Und die Inflation hat ihre Spuren gerade auch in den Portemonnaies vieler öffentlich Beschäftigter mit eher niedrigen bis mittleren Gehältern hinterlassen“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.

jüb/wsp

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