Kleine Straße, viel Verkehr: Die Hörsterstraße in Münster wurde im Sommer im Rahmen eines Verkehrsversuchs gesperrt. Nicht jedem hat das gefallen. Foto: Stadt Münster / Ralf Emmerich
05.08.2021

„Politisch stark aufgeladen“

Der Verkehrswissenschaftler Prof. Dr. Christian Holz-Rau von der Fakultät für Raumplanung der TU Dortmund forscht zur Verkehrsplanung und Mobilität. Im Interview mit dem WESTFALENSPIEGEL spricht er über Verkehrsversuche, Konflikte um Parkplätze und die Stadt der Zukunft.

Herr Holz-Rau, Städte wie Münster und Bielefeld sperren Straßen für den Autoverkehr. Auch andernorts wird diskutiert, wie Fußgänger und Radfahrer mehr Platz bekommen. Ein neuer Trend?
Es gibt zurzeit tatsächlich eine Bewegung, Städte fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu gestalten, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels. Tatsächlich wurden aber schon seit den 1970er Jahren Fußgängerzonen, Spielstraßen und andere verkehrsberuhigte Bereiche eingerichtet. Bereits damals wurde darüber gestritten. Wo diese Zonen realisiert wurden, gab es aber langfristig meist viel Zustimmung.

Der Verkehrswissenschaftler Prof. Christian Holz-Rau. Foto: privat

Der Verkehrswissenschaftler Prof. Christian Holz-Rau. Foto: privat

Wo Parkplätze wegfallen sollen, wird in der Regel protestiert.
Eine Auseinandersetzung über die Frage, wie sich eine Stadt entwickeln soll, ist zunächst einmal gut. Häufig sind Diskussionen über den Autoverkehr oder auch Parkplätze politisch stark aufgeladen. Ich beobachte da schon einen reflexartigen Widerstand. Hier muss man deutlich machen, dass es nicht darum geht, das Auto zu verbieten. Sondern es geht darum, Radfahren und Gehen sicherer zu machen, mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen und auch Lärm zu reduzieren.

Fahrradfreundliche Städte wie Kopenhagen gelten heute als Sehnsuchtsorte.
In Kopenhagen hat der Radverkehr an vielen Stellen Vorrang und kann breite Wege nutzen. Das bedeutet aber auch, dass es dort kaum mehr Parkraum gibt. Hingegen gelten in Deutschland viele Parkplätze, ob in den Innenstädten oder auch in Wohnquartieren, als selbstverständlich. Flächen sind aber knapp, und das bedeutet: Wenn wir nun mehr Raum für Radfahrer und Fußgänger schaffen wollen, werden Parkplätze wegfallen. Da führt kein Radweg dran vorbei.

Wie sieht denn die ideale Stadt der Zukunft aus?
Es wird in der Verkehrsplanung sicher darum gehen, mehr Rücksicht auf Radfahrer und Fußgänger zu nehmen. Ob durch eine Einschränkung des Autoverkehrs oder auch durch technische Lösungen wie Sensoren. Barrierefreiheit und ein gutes Angebot bei Bus und Bahn zählen ebenfalls dazu. Sehen sollte man bei all diesen Maßnahmen aber auch, dass Städte die Verkehrsprobleme nicht allein lösen können. Vielmehr ist eine Abstimmung mit den Regionen notwendig. Denn nicht zuletzt bedeuten gerade Pendler, die aus dem Umland in die Städte fahren, eine hohe Belastung im Straßenverkehr. Hier muss man ebenfalls ansetzen.

Münster und Bielefeld unternehmen nun zeitlich begrenzte Verkehrsversuche. Eine gute Idee?
Ja, solche Projekte sind gut. Solche Ideen für den Verkehr kann und sollte man praktisch testen. Städte haben sich schon immer durch das Prinzip von Versuch und Irrtum entwickelt. Endgültige Lösungen gibt es da nicht.

Interview: Annette Kiehl, wsp

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