Beitrag zur Verkehrswende oder Freizeitspaß? Elektroroller sind mittlerweile umstritten. Foto: pixabay
07.01.2022

„Roller-Mikado“

Groß waren die Erwartungen, als die E-Scooter Mitte 2019 genehmigt wurden. Heute versuchen die Städte die Roller-Flut zu begrenzen. Münster führt Gebühren für Anbieter ein.

Herne war am 5. Juni 2019 die bundesweit erste Stadt, in der die E-Scooter rollten. Oberbürgermeister Frank Dudda versprach sich davon gar einen „Beitrag zur Verkehrswende“. Wenn mehr Menschen die Scooter nutzten und als Folge das Auto stehen ließen, könnten Lärm und Abgase reduziert werden, hieß es damals. Heute sind rund 400 Roller in der Stadt unterwegs. Grundsätzlich seien die Erfahrungen positiv, berichtet die Stadtverwaltung. Doch der Enthusiasmus ist gewichen. „Ein wesentlicher Profit für die notwendige, nachhaltige Mobilitätswende in Herne ist durch die Nutzung der E-Scooter nicht belastbar zu erkennen“, so ein Sprecher der Stadt. Es habe sich gezeigt, dass die Roller eher ein Angebot zur Freizeitgestaltung seien.

Im Juni 2020 präsentierte Hernes Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda den E-Scooter-Anbieter Spin. Dass Nutzer mit dem Helm unterwegs sind, ist jedoch eher die Ausnahme. Foto: Thomas Schmidt, Stadt Herne

Im Juni 2020 präsentierte Hernes Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda (rechts) den E-Scooter-Anbieter Spin. Dass Nutzer mit dem Helm unterwegs sind, ist jedoch eher die Ausnahme. Foto: Thomas Schmidt, Stadt Herne

Herumliegende E-Scooter auf Gehwegen oder auch in Teichen, zugeparkte Eingänge oder auch betrunkene Fahrer, die Fußgänger gefährden: Der Frust über die E-Scooter ist groß. Städtetags-Geschäftsführer Helmut Dedy sprach kürzlich in einem Interview mit der Rheinischen Post von einem „Roller-Mikado im öffentlichen Raum“. Die Zulassung der Elektroroller 2019 sei „zwar hip, ist aber nicht verantwortungsvoll geschehen“, so dessen Bilanz. Großstädte wie Köln oder Düsseldorf gehen mittlerweile mit scharfen Regeln und Gebühren für Anbieter gegen eine Roller-Flut vor. Dort sind bislang jeweils mehrere tausend der sogenannten Kleinstgefährte unterwegs – und landen nicht selten im Rhein.

Für Unternehmen wie Tier und Lime war die Vermietung lange ein gutes Geschäft – schließlich zahlten sie in vielen Städten keine Gebühren. So auch in Herne. Um einen Wildwuchs zu verhindern, hat die Stadt die Anzahl der Roller pro Anbieter auf 200 begrenzt. Zudem unterzeichneten die Unternehmen ein „Memorandum of Understanding“, in dem unter anderem Zuständigkeiten, Service und auch Kontaktpersonen festgelegt werden. Dies sei „sicherlich auch ursächlich für die positiven Erfahrungen“.

Verpflichtung zu mehr Service

Die Stadt Münster hat mit drei Verleihfirmen Selbstverpflichtungserklärungen abgeschlossen. Darin geht es zum Beispiel darum, dass E-Roller schnell aus Grünanlagen oder auch aus der Aa geborgen werden müssen. „Grundsätzlich halten sich die Anbieter an die Vereinbarungen“, heißt es hierzu von der Stadt. Beschwerden gebe es meist, wenn Nutzer das Gefährt mitten auf Gehwegen, vor Hauseingängen oder Zufahrten abstellen. Mobile Teams der Unternehmen sorgten jedoch in der Regel schnell für Abhilfe, so die Stadt. Auch in Bielefeld, dort sind circa 2200 Elektroroller unterwegs, berichtet die Verwaltung von grundsätzlich positiven Erfahrungen. Beschwerden hielten sich „auf relativ niedrigem Niveau“. Die ostwestfälische Stadt hofft, dass die E-Scooter in Zukunft einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Feststellbar sei dies aktuell aber noch nicht.

In Bielefeld zahlen die Verleihfirmen eine „Sondernutzungsgebühr“ von 40 Euro pro Jahr und pro Roller. Darüber hinaus wurde deren Anzahl im Innenstadtbereich begrenzt. Münster führt zum 1. April 2022 Gebühren für die rund 4000 Fahrzeuge ein, die im Stadtgebiet verfügbar sind. 50 Euro pro Jahr müssen die Verleiher dann zahlen, kündigt die Verwaltung an. Erwartet werde, dass sich die Zahl der Scooter durch diesen Schritt auf 3000 reduziere, heißt es aus dem Rathaus.

wsp, aki

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