Klammert sich nach der Wahl in den USA an die Macht: der amtierende US-Präsident Donald Trump. Foto: pixabay
06.11.2020

„Trumps Reaktion ist nicht überraschend“

Drei Tage nach der US-Wahl ist noch nicht entschieden, wer in den nächsten vier Jahren das Land führen wird. Die Auszählung der Stimmen wird zur Hängepartie. Amtsinhaber Donald Trump klammert sich an die Macht. 

Der Politikwissenschaftler Professor Christoph Bieber ist nicht überrascht, dass Trump Wahlergebnisse anzweifelt und offen von Betrug spricht. „Man muss sich nur ansehen, wie er im Amt agiert hat, wie er mit dem Amtsenthebungs-Verfahren vor einem Jahr umgegangen ist oder auch wie seine Performance in den TV-Debatten war. All das waren schon Hinweise darauf, dass der amtierende Präsident der USA auf die Demokratie und auf die sie tragenden Institutionen nichts gibt“, so Bieber.

Welche Konsequenzen das langwierige Zählverfahren und die Ungewissheit über den Wahlsieger haben werden, vermag Bieber noch nicht abzusehen. Klar sei aber, das Land werde so schnell nicht zur Ruhe kommen. Trumps Art zu regieren, habe zu einer Verhärtung beider Lager geführt. „Das bedeutet, dass eine stabile Basis hinter Trump und der republikanischen Partei steht. Das wird auch noch eine Weile so bleiben“, sagt Bieber. Auch ein neuer Präsident werde es nicht leicht haben, seine Ziele zu verwirklichen. „Es wird auch unter einem Präsidenten Joe Biden keinen U-Turn der US-amerikanischen Politik geben“, so Bieber.

Wenig Alternativen

Dass es überhaupt ein so enges Rennen wird, haben die Wahlforscher nicht vorhergesagt. „Die Diskussion um die Wahlprognosen ist nicht neu. Ich glaube, es ist noch zu früh, die Demoskopen zu verurteilen“, sagt Bieber. Betrachte man etwa die Gesamtzahl der Stimmen, so habe Biden durchaus einen großen Vorsprung. „Nur ist das nicht das, was zählt in der US-amerikanischen Wahl. Viele Medien haben versäumt, diesen Unterschied zu erklären.“

Professor Christoph Bieber ist Leiter Forschungsinkubator am Center for Advanced Internet Studies in Bochum und Inhaber der Welker-Stiftungsprofessur für Ethik in Politikmanagement und Gesellschaft der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Foto: Universität Duisburg-Essen

Professor Christoph Bieber ist Leiter des Forschungsinkubators am Center for Advanced Internet Studies in Bochum und Inhaber der Welker-Stiftungsprofessur für Ethik in Politikmanagement und Gesellschaft der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Foto: Universität Duisburg-Essen

Die knappe Entscheidung hat viele Menschen in Deutschland überrascht. Nicht wenige haben die Wahl Trumps vor vier Jahren für einen einmaligen Unfall gehalten. Doch der amtierende Präsident habe es verstanden, bestimmte Gruppen besser zu mobilisieren als republikanische Kandidaten vor ihm, sagt Bieber: „Außerdem darf man nicht vergessen: Die Auswahl der Parteien in den USA ist nicht besonders groß. Wenn mir das Angebot der Demokraten nicht gefällt, habe ich nur eine Alternative und kann nur die Republikaner wählen. Und dann muss ich auch in den Apfel beißen, der Trump heißt.“

„Die Übergangsphase wird sicher sehr heikel“

Sollte sich Biden tatsächlich bei der Wahl durchsetzen, ist die kritische Zeit nicht vorüber, ist Bieber überzeugt. Trump bliebe bis zur Amtseinführung am 20. Januar 2021 Präsident. „Er weiß dann zwar, dass er gehen muss, er weiß aber auch, dass er noch ein wenig Zeit hat, etwas zu machen. In dieser Phase hat auch Barack Obama einige Entscheidungen getroffen, die die Start-Phase der Trump-Regierung beeinflusst haben. Und etwas ähnliches könnte Trump dann auch tun“, sagt Bieber. „Die Übergangsphase wird sicher sehr heikel.“

jüb/wsp

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