Dem Land NRW fehlen Zentrale Unterbringungseinrichtungen wie hier in Hamm. Zuletzt scheiterte ein Projekt in Arnsberg am Widerstand der Bürgerinnen und Bürger. Foto: Annette Kiehl, wsp
11.08.2023

Unterkünfte für Flüchtlinge gesucht

Das Land sucht nach Unterkünften für geflüchtete Menschen. Im Arnsberger Ortsteil Oeventrop scheiterten Pläne für eine solche Einrichtung am Bürgerprotest.

In der vergangenen Woche informierte die Bezirksregierung Arnsberg die Bürgerinnen und Bürger im 6000-Einwohner zählenden Oeventrop über die Pläne, ein ehemaliges Kloster in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für bis zu 450 geflüchtete Menschen umzuwandeln. Mehrere Hundert Bürger waren nach Medienberichten zur Informationsveranstaltung gekommen. Sie äußerten lautstark Protest. Daraufhin zog der Eigentümer der Immobilie sein Angebot zurück, das Gebäude für eine ZUE zur Verfügung zu stellen. Nun müssen Bezirksregierung und Land NRW nach neuen Möglichkeiten für eine Flüchtlingsunterkunft suchen. Diese Suche finde im gesamten Regierungsbezirk statt, so ein Sprecher der Bezirksregierung.

Dabei ist Arnsberg kein Einzelfall. Auch in Gladbeck gibt es Widerstand gegen die Pläne, in einem Hotel eine ZUE einzurichten. Dort hat der Rat der Stadt die Bezirksregierung und das Land aufgefordert, entsprechende Pläne einzustellen. Die Bezirksregierung Münster hat der Stadt nun allerdings mitgeteilt, dass sie die Verhandlungen mit dem Betreiber des Hotels fortsetzen werde. 620 Plätze sollen dort in der ZUE entstehen. Die Stadt Gladbeck ist über das Vorgehen enttäuscht. „Wir haben einen klaren Ratsbeschluss mit einem deutlichen politischen Appell gegen die Einrichtung einer ZUE an diesem Standort. Diesen nehmen wir ernst und bleiben auf dem eingeschlagenen Weg“, so Bürgermeisterin Bettina Weist.

Widerstand der Bürger wegen Göße der Einrichtung

In beiden Fällen – Oeventrop und Gladbeck – ist es vor allem die geplante Größe der Einrichtungen, die Widerstand bei Bürgerinnen und Bürger auslöst. In Gladbeck favorisiert die Stadt die dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen. Dazu teilt das NRW-Ministerium für Flucht und Integration mit: „Im Gegensatz zu den Kommunen setzt das Land ausschließlich auf zentrale Unterbringungsformen, da das Land neben dem Unterbringungs- und Versorgungsauftrag auch einen Steuerungsauftrag im Kontext der Zuführung der Asylsuchenden zur Asylantragstellung und Anhörung beim Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und der kommunalen Zuweisung übernimmt.“

Eine Unterkunft für Schutzsuchende in Recklinghausen. Foto: Jürgen Bröker, wsp

Eine Unterkunft für Schutzsuchende in Recklinghausen. Foto: Jürgen Bröker, wsp

Aktuell (Stand 01.08.2023) verfügt das Land über 30.600 Plätze zur Unterbringung von Geflüchteten, darunter 6.590 Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen und 24.010 Plätze in ZUEn und Notunterkünften (NU). Diese Einrichtungen sind momentan zu 88 Prozent ausgelastet. Das Land arbeite daher weiterhin mit Hochdruck am Ausbau der Landeskapazitäten. Die Bezirksregierungen prüfen derzeit mehr als 40 Liegenschaften, darunter auch Freiflächen und Erweiterungsmöglichkeiten bestehender Landeseinrichtungen, heißt es weiter.

„Nach neuen Wegen suchen“

Der Fall Oeventrop sorgte über die Stadtgrenzen von Arnsberg hinaus für Aufsehen. „Mich persönlich hat die Situation sehr nachdenklich gestimmt. Und mit Blick auf einzelne Reaktionen und die folgenden Berichterstattungen – weit über unser Stadtgebiet hinaus – mehr als betroffen gemacht. Das geht auch vielen weiteren Arnsbergerinnen und Arnsbergern so“, erklärte Bürgermeister Ralf Paul Bittner.

Arnsberg als Gesamtstadt sei stets geprägt gewesen von einer großen Willkommenskultur und Aufnahmebereitschaft. Das gelte besonders für Oeventrop. „Wenn nun selbst viele Bürgerinnen und Bürger aus einem Ort wie Oeventrop sich nicht mehr in der Lage sehen, eine Unterkunft in dieser Größenordnung zu stemmen, dann wird es vermutlich in sehr vielen anderen Orten im Lande nicht anders sein. Dies müssen wir gemeinsam wahrnehmen und auch respektieren. Mehr noch muss es ein Warnsignal sein, jetzt nach neuen Wegen zu suchen“, so Bittner weiter.

Anrechnung Schutzsuchender wird angepasst

Auch wenn das Land vorwiegend größere Einheiten ab 300 Plätzen sucht, werden zunehmend auch Liegenschaften mit geringer Kapazitäten in den Blick genommen. „Wir haben die Kommunen ermutigt, den Bezirksregierungen auch kleinere Liegenschaften zur Prüfung zu melden“, erklärt das Ministerium. Allerdings müssten diese als Nebenstelle einer bestehenden größeren Einheit betrieben werden können oder aber mehrere kleinere Einheiten verbinden sich zu einer größeren ZUE.

Nix verpassen –
Newsletter lesen!

Die wichtigsten Nachrichten aus der Region jeden Freitag im Posteingang!

Unterdessen hat das Landeskabinett beschlossen, Schutzsuchende, die in Landesunterkünften untergebracht sind, unabhängig vom Einrichtungstyp künftig zu 100 Prozent auf die Aufnahmeverpflichtung der Kommunen anzurechnen. Bisher vermindert sich die Aufnahmeverpflichtung einer Kommune um 50 Prozent der Kapazitätszahl einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) beziehungsweise einer Notunterkunft (NU) sowie um 70 Prozent bei einer Erstaufnahmeeinrichtung (EAE), die auf dem eigenen Gemeindegebiet durch das Land betrieben wird.

jüb, wsp

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft, Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin