20.09.2016

Wildes Westfalen: Immer mehr Waldflächen werden sich selbst überlassen und bilden den „Urwald aus zweiter Hand“

Westfalen (wh). Ein zehn Hektar großer Wald am Ehberg bei Detmold ist das jüngste Wildnisgebiet in Westfalen. Wie der Landesverband Lippe jetzt mit dem Naturpark Teutoburger Wald/Eggegebirge vereinbarte, soll das Areal in den nächsten 99 Jahren ausschließlich sich selbst überlassen bleiben und somit einen "Urwald aus zweiter Hand" bilden.

Die neue wilde Waldfläche am Ehberg ist in Westfalen längst kein Einzelfall mehr. In den vergangenen Jahren sind in der Region allein im NRW-Staatswald mehr als 200 Einzelbiotope mit einer Gesamtgröße von etwa 5700 Hektar in sogenannte Wildnisentwicklungsgebiete (WEG) umgewandelt worden. In ganz NRW beläuft sich die Fläche im Staatswald auf 7800 Hektar, was etwa 11.000 Fußballfeldern entspricht. Diese Laubwälder bestehen zumeist aus sehr alten Buchen- und Eichenbeständen und werden nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt. "Ziel ist es, den Artenreichtum zu erhalten und zu fördern", so Burkhard Herzig von Wald und Holz NRW. "Der Schlüsselfaktor ist dabei das Totholz. Wenn vermehrt Bäume über viele Jahre absterben und zerfallen, hilft das zahlreichen vor dem Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten, wie seltenen Käfern oder bestimmten Baumpilzen."

Besonders viele Wildnisgebiete gibt es mittlerweile in den Wäldern in Ostwestfalen und im Sauerland. Im Siegerland hat sich vor zwei Jahren zudem erstmals auch ein privater Waldbesitzer am Wildnisprogramm beteiligt: Der Unternehmer Dieter Mennekes übertrug dafür ein 350 Hektar großes Areal bei Bad Laasphe in eine Naturschutzstiftung.

Bis aus den geschützten Waldflächen tatsächlich wieder Naturwaldareale werden, braucht es allerdings viel Zeit und Geduld. "Wer in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren Ergebnisse sehen will, wird enttäuscht sein", so Waldexperte Herzig. "Bis die ersten natürlichen Strukturen mit nachweisbaren Urwald-Reliktarten zu erkennen sind, braucht es mindestens 40 bis 50 Jahre."

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft, Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin