28.10.2021

„Wüst gilt als Macher“

Der Münsterländer Hendrik Wüst ist neuer NRW-Ministerpräsident. Im Interview spricht der Politikwissenschaftler Prof. Norbert Kersting über die wichtigsten Aufgaben, die auf den 46-Jährigen jetzt zukommen.

Herr Kersting, vor welchen Herausforderung steht der neue Ministerpräsident Hendrik Wüst?
Es sind in erster Linie Herausforderungen, die die CDU betreffen. Hendrik Wüst muss den Menschen in NRW in den nächsten Monaten bis zur Landtagswahl deutlich machen, wofür die CDU steht, was ihre Kernkompetenzen sind und warum sie noch wichtig für die Menschen ist. Außerdem muss er die in verschiedene Gruppen gespaltene CDU wieder vereinen.

Ist Wüst der richtige Mann für diese Aufgabe?
Ich denke, er ist ein guter Kandidat. Er hat trotz seines noch recht jungen Alters für einen Ministerpräsidenten schon viel Erfahrung. Er ist eng mit dem in NRW besonders wichtigen Mittelstand verbunden und hat die Unterstützung. Das wird ihm helfen, auch wenn er sich als Verkehrsminister nicht so profilieren konnte wie andere Kabinettsmitglieder. Für die CDU ist aber vor allem wichtig: Man hat sich früh auf eine Nachfolge von Armin Laschet geeinigt.

Warum ist das so wichtig?
Mit Wüst als Kandidaten kann man jetzt rechtzeitig ein entsprechendes Programm für die Landtagswahl, die ja schon im Mai kommenden Jahres stattfindet, ausarbeiten. Das hat man auf Bundesebene viel zu spät gemacht. Man sollte jedenfalls die Negativkampagne der Union bei der Bundestagswahl nicht wiederholen. Da hat man zu sehr auf die Fehler der anderen verwiesen. Die Kernkompetenzen und die CDU-Gewinnerthemen, das heißt das, wofür die CDU steht, wurde so nicht deutlich.

Politikwissenschaftler, Prof. Norbert Kersting. Foto: WWU/Anna Overmeyer

Politikwissenschaftler an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, Prof. Norbert Kersting. Foto: WWU/Anna Overmeyer

Was unterscheidet Wüst von seinem Vorgänger Laschet?
Armin Laschet musste immer wieder gegen sein Image als Zauderer ankämpfen. Wüst gilt dagegen als Macher, manchmal sogar als etwas „nassforsch“, wenn ich das so sagen darf. In der Vergangenheit ist er oft kantig und eher etwas zu laut aufgetreten. Im Amt des Verkehrsministers hat man ihn aber schon anders erlebt. Und jetzt, nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten, hat man gemerkt, dass er mit sehr viel Demut an das Amt des Landesvaters herangeht. Er ist sich der Größe des Amtes durchaus bewusst und weiß auch, dass es langfristig die Möglichkeit bietet, sich für höhere Aufgaben auf Bundesebene zu empfehlen. Die Frage ist: Steht er für einen Neuanfang?

Was glauben Sie?
Das wird Hendrik Wüst erst zeigen müssen. Ein Vorteil wird sicher sein, dass die CDU in Berlin jetzt in der Opposition ist. Da kann man sich auf Landesebene profilieren. Allerdings ist das zugleich auch eine Gratwanderung. Wüst muss es schaffen, sich gegenüber der Berliner Regierung abzugrenzen. Gleichzeitig muss er aber eigene Ideen entwickelt. Das wird beim Topthema Klimaschutz sicher nicht einfach. Das ist in den Augen vieler Wähler nicht unbedingt die Kernkompetenz der CDU. Man muss abwarten, ob er den Negativtrend für die CDU in den Umfragen brechen kann. Das wird die vielleicht schwierigste Aufgabe.

Interview: Jürgen Bröker, wsp

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