Fichtenreinkulturen wie diese im Wald bei Arnsberg stehen in Westfalen vor dem Aus. Foto: Jürgen Bröker
01.10.2020

Abschied von der Fichte

Keine andere Baumart ist vom Hitze- und Klimastress und einem daraus resultierenden Schädlingsbefall in NRW so sehr betroffen wie die Fichte. Hat sie in Westfalen noch eine Zukunft?

Sie ist der Brotbaum der Forst- und Holzwirtschaft: Die Fichte wächst im Vergleich zu anderen Baumarten verhältnismäßig schnell. Ihr Holz ist vielseitig einsetzbar und gut zu verarbeiten. Vorteile, die die Baumart für viele Waldbesitzer vor allem in Süd- und Ostwestfalen so wertvoll machen. Doch die Zeit der Fichtenreinkulturen scheint abgelaufen.

Zunächst fällten heftige Stürme wie der Orkan Kyrill (2007) oder das Sturmtief Friederike (2018) viele Bäume. Dann kam der Borkenkäfer. Begünstigt durch Trockenheit und Hitze konnte er sich in den vergangenen drei Jahren immer weiter ausbreiten. Mit etwa 28 Millionen Kubikmeter Käferholz rechnen die Forstleute (Stand September 2020) allein für die Jahre 2018 bis 2020. Wer zum Beispiel durchs Sauerland fährt, sieht zahlreiche kahle Flächen oder Fichten, die ihr grünes Nadelkleid gegen ein fades Grau-Braun eingetauscht haben.

Fichtenstämme am Wegrand und kahle Flächen in der Ferne – aktuell kein seltenes Bild im Sauerland. Foto: Jürgen Bröker

Fichtenstämme am Wegrand und kahle Flächen in der Ferne – aktuell kein seltenes Bild im Sauerland. Foto: Jürgen Bröker

Dabei ist die Fichte eigentlich ein wehrhafter Baum. Kommt sie an ausreichend Wasser, hat sie kein Problem mit dem Borkenkäfer. Bohrt der Schädling die Borke des Baumes an, wird er in Harztropfen eingeschlossen und kann sich nicht weiter vermehren. „Aber die Bäume sind seit Jahren wehrlos“, sagt von Plettenberg. Ohne Wasser kein Harz. Der Käfer hat leichtes Spiel. Bis zu vier Millionen Käfer pro Hektar Wald haben Fachleute bei Untersuchungen gefunden. 10.000 und mehr Tiere pro Baum.

Fichte ist seit dem 19. Jahrhundert in Westfalen verwurzelt

Die Preußen haben die Fichte aus den Alpen nach Westfalen gebracht. „Außerdem hat man im Teutoburger Wald Fichten bereits Mitte des 19. Jahrhunderts mit Saatgut aus dem Thüringer Wald angesät“, sagt Forstexperte Dr. Bertram Leder, Leiter des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft in Arnsberg. Über viele Jahre hat die Fichte in der Region gut funktioniert.

Dr. Bertram Leder, Leiter des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft in Arnsberg. Foto: Jürgen Bröker

Dr. Bertram Leder, Leiter des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft in Arnsberg. Foto: Jürgen Bröker

„Schon Plinius der Ältere wusste über die Standortansprüche der Fichte Bescheid. Er schrieb im Jahr 23 nach Christus, dass die Fichte eine Baumart der Berge und der Kälte ist“, so Leder. Heute zeigt sich: Offensichtlich sind die Berge im Sauerland nicht hoch genug.

Allerdings ändern sich die Standortbedingungen auch dramatisch. „Wir sprechen von Standortdrift. Es wird immer trockener, das kann die Fichte nicht vertragen. Als grobe Größe kann man sagen: Sobald der Niederschlag unter 800 Millimeter pro Jahr fällt und die Jahresdurchschnitts-Temperaturen über acht Grad Celsius liegen, ist es kein Klima mehr für die Fichte“, erklärt Leder weiter.

Jürgen Bröker

Der Wald im Klimastress

Unser Dossier zur Auswirkung der Klimakrise auf unsere Wälder.

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft, Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin