E-Bikes werden immer beliebter. Die Absatzzahlen für Fahrräder mit elektrischer Unterstützung wachsen rasant. Foto: pixabay
24.09.2020

„Als Massenprodukt sind E-Bikes kritisch zu sehen“

Die Fahrradbranche boomt. Vor allem der Absatz von E-Bikes wächst rasant. Für die Umwelt ist das kein guter Trend, sagt Prof. Reinhart Job von der Fachhochschule Münster.

Schon 2019 wurden bundesweit etwa 1,4 Millionen Elektroräder verkauft. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) rechnet damit, dass zwischen Januar und Juni 2020 rund 3,2 Millionen Fahrräder, davon etwa 1,1 Millionen E-Bikes, einen neuen Besitzer fanden. Das entspreche einem Absatzplus von rund 9,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bezogen auf Elektroräder läge das Wachstum sogar bei fast 16 Prozent. Neueste Daten des Statistischen Landesamtes zeigen zudem, dass 1,1 Millionen Privathaushaushalte in NRW mindestens ein Elektrofahrrad besitzen. Der Anteil der Haushalte mit Pedelecs ist demnach 2020 auf 13,9 Prozent gestiegen. Damit hat sich dieser Anteil in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2015 hatte der Anteil der Haushalte mit Pedelecs (460 000 Haushalte) noch bei 5,8 Prozent gelegen.

Besonders umweltfreundlich ist der Umstieg auf Pedelecs oder E-Bikes aber nicht, sagt Professor Reinhart Job, Leiter des Labors für Energiespeichertechnologie an der Fachhochschule Münster. „Die Herstellung der Lithium-Ionen-Akkus ist alles andere als ökologisch oder nachhaltig. Als Massenprodukt sind E-Fahrräder daher kritisch zu sehen. Wir müssen uns fragen, ob wir zu viele Batterien für den E-Fahrrad-Trend einsetzen, die wir besser für notwendigere Zwecke nutzen könnten.“

Produktion der E-Bike-Akkus schädigt Mensch und Umwelt

Für die Produktion der Akkus wird Lithium und Kobalt benötigt. Diese Stoffe stammten in der Regel aus Südamerika und der Demokratischen Republik Kongo, so Job in einem Interview, das er für die Website der Fachhochschule im Rahmen der „Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit“ führte. 

Prof. Reinhart Job von der Fachhochschule Münster sieht das E-Bike als Massenprodukt kritisch. Er fährt daher mit einem normalen Fahrrad. Foto: FH Münster/Jana Schiller

Prof. Reinhart Job von der Fachhochschule Münster sieht das E-Bike als Massenprodukt kritisch. Er fährt daher mit einem normalen Fahrrad. Foto: FH Münster/Jana Schiller

In Südamerika führe die Lithium-Produktion „zu einer drastischen Verschlimmerung der Wasserversorgung und Dürren in einer ohnehin schon sehr trockenen Region.“ Im Kongo würden Bergleute, darunter viele Kinder, ihr Leben riskieren, um an den wertvollen Rohstoff zu gelangen. „Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass wir ressourcenintensive Produkte kaufen, während die Bevölkerung und die Umwelt in den Abbauländern darunter leiden. Wenn wir nachhaltig leben wollen, müssen wir global denken“, so Job.

Gesunde Menschen sollten kein E-Bike fahren

Daher sieht er in den Elektrorädern allein langfristig nicht die Lösung für den dringend erforderlichen Mobilitätswandel. Dafür seien deutlich umfassendere und globale Konzepte notwendig. Trotzdem gibt es auch positive Aspekte bei den Einsatzmöglichkeiten für ein elektrisch unterstütztes Fahrrad. „Ein E-Fahrrad ist für ältere und körperlich eingeschränkte Personen sicherlich eine gute Möglichkeit, um ihren Bewegungsradius zu erweitern. Auch Lastenräder mit elektrischer Unterstützung können sehr sinnvoll sein, um das Auto beim Einkauf zu ersetzen oder um Lieferketten in Städten zu entlasten“, erklärt der Experte. 

Gesunden Menschen rät Job aber: „Wer etwas für seine Gesundheit und die Umwelt tun möchte, sollte lieber auf ein normales Rad steigen, anstatt sich ein E-Fahrrad zu kaufen, weil Freunde und Nachbarn auch schon eins haben.“

jüb/wsp

Die Verschiedenen E-Bike-Typen

  • Pedelecs unterstützen mit einem elektrischen Motor den Fahrradfahrer beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. Solche Räder gelten im Straßenverkehr als Fahrräder.
  • S-Pedelecs riegeln die Unterstützung durch den Elektromotor erst bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h ab. Rechtlich gelten Sie als Kleinkraftrad, daher gibt es eine Helmpflicht. Außerdem darf man mit diesen Rädern Radwege nicht befahren und sie müssen ein Versicherungskennzeichen haben. Der Fahrer benötigt eine Fahrerlaubnis
  • E-Bikes fahren auch, wenn der Fahrer nicht in die Pedale tritt. Sie sind mehr Mofa als Fahrrad. E-Bikes gibt es in mehreren Höchstgeschwindigkeitsabstufungen. Auch hier ist ein Versicherungskennzeichen sowie eine Fahrerlaubnis Pflicht.

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