Bei der Landesgartenschau 2017 zeigte sich Bad Lippspringe von seiner besten Seite. Foto: Gartenschau Bad Lippspringe
26.09.2016

Aufblühende Landschaften

Vor 20 Jahren stürzte die Gesundheitsreform die Kurorte in eine tiefe Krise. Die Landesgartenschau 2017 in Bad Lippspringe könnte den Aufschwung markieren.

Die Liegehalle im Kurwald von Bad Lippspringe ist schon bereit für die Landesgartenschau 2017. Das rund 100 Jahre alte Gebäude öffnet im neu gestalteten Waldgebiet ein Fenster in die Vergangenheit des traditionsreichen westfälischen Kurbades.

Rustikal aus Steinen und Baustämmen gefertigt, bot die Halle lungenkranken Patienten der nahe gelegenen Kliniken einst einen wettergeschützten Ort für die Liegekur. Erst im Rahmen der Bewerbung für die Landesgartenschau wurde die Liegehalle als eines der letzten Relikte ihrer Zeit wieder zum Schmuckstück. Im Kurwald soll sie als Infozentrum des Gesundheitsstandortes Bad Lippspringe wirken. Vor fünf Jahren erhielt das Heilbad im Teutoburger Wald den Zuschlag für die Ausrichtung der Gartenschau. „Einen sehr, sehr wichtigen Schritt in die Zukunft“, nannte Bürgermeister Andreas Bee diese Entscheidung. Denn der 16.000-Einwohner-Ort hat lange nach einer neuen Perspektive gesucht.

Einbruch durch die Gesundheitsreform

Mitte der 1990er Jahre zählte Bad Lippspringe noch fast 530.000 Gästeübernachtungen jährlich. Viele Kurgäste blieben mehrere Wochen und bescherten den Cafés, Restaurants und Geschäften sichere Einnahmen. Der Einbruch kam mit der Gesundheitsreform 1997, die die Verordnung und Finanzierung der Badekur deutlich einschränkte. Innerhalb von zehn Jahren halbierte sich die Zahl der Gästeübernachtungen. Selbst 2015, fast 20 Jahre nach dem Umbruch, zählte der Ort nur rund 330.000 Übernachtungen.

Bei der Landesgartenschau 2017 zeigte Bad Lippspringe von seiner besten Seite. Foto: Gartenschau Bad Lippspringe

Die Landesgartenschau 2017 in Bad Lippspringe setzte auf „Blumenpracht und Waldidylle“. Foto: Gartenschau Bad Lippspringe

Mit dieser Entwicklung ist Bad Lippspringe kein Einzelfall. Ob in der Bäderregion Teutoburger Wald oder auch im Sauerland – viele westfälische Gesundheitsstandorte stehen vor der Herausforderung, sich auf neue Kundenkreise und die veränderten Bedürfnisse der Gäste einzustellen. Denn Patienten der örtlichen Reha-Kliniken sind in der Regel vollverpflegt und nach schweren Erkrankungen oft zu schwach, um die Annehmlichkeiten eines Kurortes zu nutzen. Wellness-Urlauber hingegen verbringen nur wenige Tage am Ort und erwarten dann einen besonderen Luxus, wie etwa moderne Spa-Bereiche. Dies können die gebeutelten Kommunen jedoch nicht unbedingt leisten: Für umfangreiche Investitionen fehlt ihnen meist das Geld.

Das NRW-Gesundheitsministerium unterstützt die betroffenen Städte und Gemeinden über die Kurortehilfe, verschiedene Fördermittel sowie durch Beratungen. Die Orte sind jedoch gefordert, sich zu vernetzen und Ideen zu entwickeln, um am Markt bestehen zu können, wie Gesundheitsministerin Barbara Steffens im Interview mit dem Westfalenspiegel betont.

Mit der Landesgartenschau 2017 ist in Bad Lippspringe ein außergewöhnliches Ereignis nun in greifbarer Nähe. 8,5 Millionen Euro werden dort investiert, fünf Millionen davon kommen vom Land NRW. Mindestens 480.000 Besucher erwartet die Stadt von April bis Oktober.

Bad Lippspringe soll langfristig profitieren

„Blumenpracht und Waldidylle“ lautet das Motto der Parklandschaft vor der Kulisse des Teutoburger Waldes, doch den Planern geht es um mehr als um eine Leistungsschau der Gärtner. Die Schau gilt als umfangreiches Infrastrukturprojekt. Neben der barrierefreien Gestaltung des Kurwaldes, zahlreichen Spielplätzen, Veranstaltungsflächen und natürlich verschiedenen Gärten, ist die nachhaltige Nutzung des Geländes nach 2017 bereits jetzt ein Thema. Der neue Kurpark soll dann dauerhaft bewirtschaftet werden. Vor allem aber wird erwartet, dass der Ort von den Investitionen der Hoteliers und Einzelhändler profitiert.

Nicht nur Bad Lippspringe hat hier einen sichtbaren Nachholbedarf. Im nahe gelegenen Bad Meinberg mit seinem barocken Kurpark prägt noch die Atmosphäre der Wirtschaftswunderjahre die kleine Fußgängerzone. Vieles wirke „wie aus der Zeit gefallen“, stellte 2014 eine Analyse von Tourismusexperten fest: Leerstehende Ladenlokale, vernachlässigte Fassaden und altmodische Schaufenster bestimmen das Bild, hieß es. Doch es sind auch hier Entwicklungen spürbar: Ein Segway-Anbieter, ein Café und ein Naturkostladen haben eröffnet; es sind kleine Anstöße nach einer langen Zeit des Stillstandes. Und es kommen auch wieder mehr Besucher, berichtet ein Händler: Wanderer, Tagesausflügler oder auch Gäste des großen Yoga-Zentrums, das seinen Sitz seit ein paar Jahren in einer aufgegebenen Klinik hat.

Der Waldspielplatz Elfenhain in Bad Lippspringe. Foto: Gartenschau Bad Lippspringe

Der Waldspielplatz Elfenhain im Kurwald in Bad Lippspringe. Foto: Gartenschau Bad Lippspringe

Die große Lösung biete das noch nicht, sagt Ludmilla Gutjahr, Geschäftsführerin der neuen Stadtmarketinggesellschaft von Horn-Bad Meinberg. Noch suche der Kurort nach einer Nische, um im Wettbewerb um Gäste dauerhaft bestehen zu können. Gesundheit, Ruhe und Entschleunigung sind mögliche wichtige Themen. „Wir müssen mit einer geringen finanziellen Ausstattung zurechtkommen und setzen daher auch auf die Bürger als Botschafter“, so Gutjahr.

Wettbewerb um Selbstzahler

Der Wettbewerb um die Selbstzahler, die unabhängig von Kur und Krankenkasse reisen, ist anspruchsvoll und für manche traditionellen Heilbäder noch Neuland. Nicht alle Orte verfügen über hochklassige Hotels, Spitzenrestaurants und ein umfangreiches Wellness-Angebot, um Wochenend-Urlauber zu locken. Darüber hinaus ist die Konkurrenz groß und mit Ostseebädern jenseits der deutschen Grenze auch international.

Der Gräfliche Park hat sich bereits vor einigen Jahren diesen Herausforderungen gestellt. 1782 von Caspar Heinrich von Sierstorpff in Bad Driburg gegründet, ist er heute noch Deutschlands einziges Kurbad in Privatbesitz. Bis zur Gesundheitsreform herrschte dort jedoch „die Planwirtschaft“, wie Gräfin Annabelle von Oeynhausen-Sierstorpff es einmal formulierte: Der Großteil der Hotelzimmer war von den Krankenkassen fest gebucht und die Behandlung der Kurgäste erfolgte im Zehn-Minuten-Takt. Der Einbruch kam ebenfalls Mitte der 1990er Jahre, allerdings entschied sich die Eigentümerfamilie daraufhin, mehr als 20 Millionen Euro in Hotel, Wellness-Bereich und Tagungsräume zu investieren. Heute wirbt das Unternehmen, zu dem auch Mineralwasserquellen und Kliniken gehören, mit Yoga-Events, Fastenkuren und anderen Attraktionen um Urlauber. Dazu zählt auch die nahe gelegene Rennstrecke Bilster Berg. Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff initiierte den umstrittenen Autorundkurs, bevor er im vergangenen Jahr nach Streitigkeiten als Geschäftsführer zurücktrat.

Vernetzung statt Konkurrenz

Einen anderen Weg gehen die Kurorte in Südwestfalen. Bad Berleburg, Bad Laasphe, Bad Sassendorf, Brilon, Olsberg, Schmallenberg und Winterberg haben sich im Rahmen des Regionale-2013-Projektes „Zukunft neu gedacht“ entschieden, gemeinsam statt in Konkurrenz zueinander zu arbeiten. Hier geht es beispielsweise um eine bessere Verzahnung von Tourismus und Gesundheitswirtschaft und um eine zeitgemäße Anpassung von Richtlinien, um kleine Orte nicht zu überfordern.

Die Westfälischen Salzwelten in Bad Sassendorf sollen einen weithin sichtbaren Impuls für diese Entwicklung geben. „Sole, Salz und Gesundheit sind die einzigartigen Merkmale des Kurortes. Das spiegelt sich in diesem Museum wieder“, fasst Leiter Dr. Oliver Schmidt die Idee zusammen. Im Februar 2015 eröffnete die Ausstellung in der restaurierten Bauernhofanlage Hof Haulle; eine große Glasfront in Form eines angedeuteten Salzkristalls macht die neue Nutzung des Gebäudes deutlich. Interaktive und multimediale Stationen führen dort die historische, gesundheitliche und wirtschaftliche Bedeutung des Salzes vor Augen. Besucher können mit Salzkristallen experimentieren, Sole inhalieren oder auch gemeinsam Aufgaben rund um die Salzwirtschaft lösen. Damit gibt die Ausstellung einen Einblick in den Wandel des Heilbades in der Soester Börde, wo bis 1952 noch Salz aus Sole gewonnen wurde.

30.000 Besucher zählten die Westfälischen Salzwelten in den ersten eineinhalb Jahren ihres Bestehens. Darunter seien Wanderer, Familien und Kurgäste, aber auch Vereine, die einen Ausstellungsbesuch mit anderen Ausflugszielen in der Region verbinden, berichtet der Museumsleiter. Das Haus, das ebenfalls im Rahmen des Strukturförderprogramms Regionale 2013 entstanden ist, sei ein „Baustein für die neue Profilierung des Ortes“.

„Kurpark 3.0“ in Bad Sassendorf

Der „Kurpark 3.0“ soll ein weiterer Meilenstein auf diesem Weg sein. Ermöglicht durch den Förderwettbewerb „Erlebnis NRW – Tourismuswirtschaft stärken“, investiert Bad Sassendorf mehr als drei Millionen Euro in die Neugestaltung des Gradierwerks und des weitläufigen Parks. Die großen Themen dabei sind die Barrierefreiheit und die Inklusion. Dazu zählen rollatorfreundliche Wege, ein Barfußpfad für Sehbehinderte und ein Kletterparcours.

Bad Sassendorf, bekannt als Ort mit dem landesweit höchsten Rentneranteil, besinnt sich mit diesen Projekten auf seine Stärken. Doch auch an anderen Stellen tut sich etwas: Geburten und Einschulungen seien auf Rekordniveau und immer mehr Familien würden sich entschließen, in die Stadt zu ziehen, erzählt Stadtmarketing-Leiter Olaf Bredensteiner stolz.

In Bad Lippspringe legen die Planer der Landesgartenschau Wert darauf, dass die Veranstaltung kein Rettungsanker für den Kurort ist. Die Gemeinde sei mittlerweile in mehreren Bereichen gut aufgestellt. Wesentlicher Grund für den Optimismus ist, dass der stadteigene Klinikverbund MGZ seit zwei Jahren wieder schwarze Zahlen schreibt. Gartenschau-Sprecher Matthias Hack betont, dass die positive Entwicklung beim größten Arbeitgeber vor Ort, zusammen mit einem hohen bürgerschaftlichen Engagement, eine gute Basis für die Ereignisse im nächsten Jahr bilde.

Die Bauarbeiten und auch die Finanzen der Landesgartenschau 2017 liegen nach aktuellem Stand im Plan. Etwa 130.000 Stauden und Gräser sowie 100.000 Blumenzwiebeln werden seit einigen Monaten auf dem 33 Hektar großen Gelände gepflanzt. Im Frühjahr soll die Saat aufgehen.

Annette Kiehl / aus dem WESTFALENSPIEGEL 5/2016

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