Landrat Dr. Kai Zwicker; Foto: Kreis Borken
27.04.2021

„Fahren Sie nicht in die Niederlande!“

Im Interview spricht der Landrat des Kreises Borken Dr. Kai Zwicker über die Besonderheiten der Grenzregion zu den Niederlanden in der Pandemie und seinen Wunsch nach einheitlichen Regelungen. 

Wie bewerten Sie die Öffnungen von Gastronomie und Einzelhandel in den Niederlanden?
Seit Beginn der Pandemie habe ich immer appelliert, die Regelungen in beiden Ländern möglichst gleich zu halten. Dazu haben viele Gespräche mit Mitgliedern der Landesregierung NRW, aber auch von niederländischen Kollegen mit der niederländischen Regierung in Den Haag stattgefunden. Bedauerlicherweise fallen die Regelungen jetzt wieder auseinander.

Erwarten Sie dadurch mehr Grenzverkehr durch Einkaufstourismus?
Nach menschlichem Ermessen ist mit deutlich mehr Einkaufstourismus zu rechnen. Was „in normalen Zeiten“ etwas sehr Schönes ist, erschwert jetzt die Pandemiebekämpfung.

Wie sehen das die Bürgermeister etwa in Winterswijk oder Enschede?
Im Grenzgebiet stehen wir ständig im direkten Austausch mit unseren niederländischen Bürgermeisterkollegen – entweder direkt oder über unsere EUREGIO, die hier wertvolle Unterstützung leistet. Wir verstehen uns sehr gut und haben in den vergangenen Monaten immer wieder gemeinsam an die Menschen in unseren jeweiligen Ländern appelliert, dass sie jeweils bitte in ihrem eigenen Land bleiben. Und dieser Appell gilt auch jetzt: „Fahren Sie nicht in die Niederlande!“ Tatsächlich verhindern kann das nur der Bund durch entsprechende Regelungen und die Bundespolizei, gegebenenfalls unterstützt durch das Land NRW und die Landespolizei.

Die Niederlande öffnen, Deutschland verschärft die Maßnahmen – und das obwohl in den Niederlanden die Inzidenzzahlen höher sind. Ist das den Bürgern in der Grenzregion noch zu erklären?
Die Menschen sind Corona leid und ermüdet. Die Krankenhäuser füllen sich und arbeiten oft „bis zum Anschlag“. In Enschede hatte die Uniklinik jetzt sogar einen kurzfristigen Aufnahmestopp: Kurz gesagt, das Öffnen von Gastronomie und Einzelhandel in den Niederlanden den Menschen zu erklären und hier für deren Schließung auf deutscher Seite um Verständnis zu werben, ist kaum möglich.

Wären Sonderregelungen für die Grenzregion sinnvoll?
Grenzregionen sind immer etwas Besonderes, weil unterschiedliche Rechtssysteme, aber auch Mentalitäten aufeinandertreffen. Eine offene Grenzregion wie die deutsch-niederländische, ist vom nachbarschaftlichen Miteinander und von vielen Grenzpendlern, die im Nachbarland arbeiten, einkaufen oder die Schule besuchen, geprägt. Hier helfen weniger Sonderregelungen als ein abgestimmtes Vorgehen der Staaten in Europa. Da die Zahl der Infizierten in den Niederlanden mehr als das Doppelte beträgt, wäre zusätzlicher Impfstoff für die Bewohner der Grenzregion sinnvoll. Der wurde durch die NRW-Landesregierung versprochen, aber bis jetzt leider nicht geliefert. Die Impfung von Grenzpendlern, die beiderseits der Grenze viele Kontakte haben, würde auch das Landesinnere schützen. Das haben zusätzliche Impfungen in Bayern oder Sachsen bewiesen.

Interview: Jürgen Bröker

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