23.02.2012

Interviewserie „Wer entscheidet in Westfalen?“: Karola Geiß-Netthöfel, Direktorin des Regionalverbandes Ruhr

Westfalen (wh). Seit rund einem halben Jahr ist mit Karola Geiß-Netthöfel eine Westfälin die Direktorin des Regionalverbandes Ruhr: Die Juristin stammt aus Lünen und war zuvor Regierungsvizepräsidentin in Arnsberg. Im Interview mit "Westfalen heute" spricht sie über eine Region zwischen Hightech, Strukturwandel und westfälischen Traditionen.

"Das Ruhrgebiet tritt als die neue Metropole Ruhr auf", heißt es von Seiten des RVR. Welche Rolle spielt dabei Westfalen?
Karola Geiß-Netthöfel: Wenn man über Planungen nachdenkt, dann muss man immer die räumlichen Zusammenhänge einer Region sehen, seien es die Pendlerströme oder wirtschaftliche Verflechtungen. Im Kreis Unna hat man zum Beispiel Bezüge zum Sauerland oder auch ins Münsterland; in Hamm hat man sicherlich auch Beziehungen nach Ostwestfalen. Da muss der RVR als Planungsverband grenzüberschreitend denken und das tun wir auch, am Niederrhein bis hinein in die Niederlande. Generell denken wir beim RVR eher im Verbund der Metropole Ruhr. Eine Grenzziehung zwischen dem westfälischen und dem rheinischen Ruhrgebiet bringt uns da nicht weiter.

Wie wird der Regionalverband Ruhr in den westfälischen Städten am Rand des Ruhrgebietes wahrgenommen?
Im östlichen Revier denkt man manchmal, das Ruhrgebiet spielt sich vor allem in der Mitte ab, aber das stimmt nicht. Das habe ich bei meinen Antrittsbesuchen gemerkt. Gerade in Hamm oder im Kreis Unna sind die Bergbau-Traditionen, aber auch der Strukturwandel verbindende Elemente. Ich möchte daher sehr dafür werben, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen und die Region gestalten.

Sie setzen sich besonders für ein gemeinsames Verkehrskonzept ein.
Es ist schwierig, wenn verschiedene Verkehrsbetriebe und Verbünde unabhängig voneinander agieren. Wir möchten deshalb gerne dahin kommen, ein regionales, integriertes Verkehrskonzept mit den Städten und Kreisen zu gestalten. Warum wollen wir das? Ganz einfach: Damit Verbindungen besser aufeinander abgestimmt sind, so dass man einfacher von A nach B kommt. Und auch dieser Tarifdschungel muss gelichtet werden. Ich fahre jeden Tag mit dem Zug von Lünen nach Essen. Bis mir mal klar war, mit welcher Karte ich dorthin komme – das hat gedauert.

"Hightech statt Hochofen" lautet ein Motto des RVR. Ist dieser Slogan angesichts des immer noch spürbaren Strukturwandels und sozialer Probleme realistisch?
Ja, gerade im Umfeld der Universitäten gibt es schon eine ganze Menge an Hightech. Problematisch ist, dass wir teilweise selbst innerhalb der Städte ein starkes Entwicklungsgefälle haben. Im Dortmunder Norden zum Beispiel gibt es städtebauliche und soziale Probleme, die noch nicht gelöst sind. Da haben wir auch in anderen Städten Nachholbedarf. Besonders die bildungsfernen Schichten müssen wir erreichen. Denn wir werden bald einen Fachkräftemangel in der Region haben und müssen die Leute vorbereiten, diese Vakanzen zu besetzen. Bildung ist das herausragende Stichwort an dieser Stelle.

Es gibt zahlreiche neue Projekte, die dort ansetzen. Wie nachhaltig sind diese?
Genau mit dieser Frage beschäftigen wir uns beim Bildungsbericht Ruhr. Wir müssen nach Best-Practice-Modellen schauen, die Erfolg gezeigt haben, und uns darüber austauschen. Ein Modellprojekt machen, nur um des Projektes willen, das ist Quatsch. Aber wenn wir Initiativen haben, die schon Wirkung gezeigt haben, dann müssen wir schauen, wie man die auf andere Städte übertragen kann.

Sie haben viele Jahre in Münster und Arnsberg gearbeitet und wohnen in Lünen. Wie viel Westfälin steckt in Ihnen?
Ich wohne in einer Stadt, die vom Ruhrgebiet und von Westfalen geprägt ist. Und ich wohne auf der Seite, wo die Stadt schon ein bisschen ins Münsterland übergeht. Da gibt es schon eine gewisse westfälische Mentalität. Das merkt man vor allem beim Kochen: Pfefferpotthast zum Beispiel schmeckt am besten in Westfalen.

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