Kirchenaustritte auf Rekordniveau
Die katholischen Bistümer Essen, Paderborn und Münster melden Höchststände bei den Kirchenaustritten. Auch die Zahl der Gottesdienstbesucher hat deutlich abgenommen.
Im Bistum Münster kehrten im vergangenen Jahr 22.614 Menschen der katholischen Kirche den Rücken. Das waren fast 10.000 mehr als 2020. Einen deutlichen Rückgang gab es im vergangenen Jahr im zweitgrößten Bistum Deutschlands auch bei den Menschen, die sonntags an der Messe teilnehmen. 65.016 Katholiken besuchten die Gottesdienste und damit 24.046 weniger als im Vorjahr.
Vor allem gravierende Fehler kirchlicher Verantwortungsträger im Umgang mit sexuellem Missbrauch hätten zu den hohen Kirchenaustrittszahlen beigetragen, sagte Münsters Bischof Felix Genn: „Insgesamt müssen wir als kirchliche Verantwortungsträger – und da schließe ich mich selbst ausdrücklich ein – Kirche in dieser Haltung leben: zugewandt, veränderungsbereit, lebendig, vielfältig, offen, dialogorientiert, im Dienst an den Menschen stehend, Gewalt, Unrecht und sexuellen Missbrauch bekämpfend.“
Historischer Negativrekord im Bistum Essen
Auch die anderen katholischen Bistümer in Westfalen haben Mitglieder in großer Zahl verloren. Dabei markieren die 9133 Kirchenaustritte im Bistum Essen einen historischen Negativrekord: Noch nie seit der Gründung des Bistums im Jahr 1958 haben binnen eines Jahres so viele Menschen von sich aus die katholische Kirche verlassen, teilt das Bistum mit. Für den Essener Generalvikar Klaus Pfeffer sind die Zahlen ein klares Zeichen „eines schier unaufhaltsam steigenden Vertrauensverlustes der katholischen Kirche“, den vor allem die schrecklichen Missbrauchstaten von Priestern und anderen kirchlichen Mitarbeitenden ausgelöst hätten. Es sei „fatal“, dass die Aufarbeitung der Verbrechen bundesweit uneinheitlich erfolge und sich über einen sehr langen Zeitraum hinziehe.
Der Generalvikar erkennt in der Jahresstatistik allerdings auch, „wie sehr die Pandemie die schon vorher zum Teil versteckten Veränderungs- und Abbruchprozesse in unserer Kirche wie ein Brandbeschleuniger massiv verstärkt hat“. Darüber können auch die gestiegenen Zahlen bei Taufen und Trauungen im Vergleich zum ersten Coronajahr nicht hinwegtäuschen. Diese seien in erster Linie auf Nachholeffekte zurückzuführen, so Pfeffer.
Demographischer Wandel und Pandemie
Im Erzbistum Paderborn sind 16.310 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten, rund 6000 mehr als 2020. Generalvikar Alfons Hardt ruft die Kirche von Paderborn anlässlich der kirchlichen Jahresstatistik für das Jahr 2021 auf, die „richtigen Wege der Erneuerung und der Konzentration auf den Kern“ des eigenen Daseins und Auftrags in diesen Zeiten der Veränderung konsequent weiterzugehen. „Wieder einmal erhalten wir als katholische Kirche in Deutschland die Quittung für das, was wir noch nicht gut hingekriegt haben. Aber wir müssen jetzt dranbleiben, weiter unsere Arbeit machen und beweisen, dass wir als Glaubensgemeinschaft der Welt etwas zu geben und anzubieten haben“, so Hardt weiter.
Insgesamt verringerte sich die Zahl der Mitglieder der katholischen Kirche in der Region deutlich. Neben den Kirchenaustritten ist dafür in erster Linie der demographische Wandel verantwortlich. In allen Bistümer starben mehr Menschen als getauft wurden. Im Bistum Münster waren mit 1.763.393 Katholiken rund 34.176 weniger registriert als noch ein Jahr zuvor. Das Bistum Essen verlor innerhalb eines Jahres 20.885 Mitglieder und hatte 2021 noch 700.000 Mitglieder. Das Bistum Paderborn zählte ingesamt noch 1.406.872 Mitglieder (2020: 1.439.563).
Austritte auch bei Evangelischer Kirche
Auch die Evangelischen Kirchengemeinden in Westfalen haben im vergangenen Jahr Mitglieder verloren. Allerdings haben die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche ihre Statistik schon im März veröffentlicht. Rund 22.000 Menschen sind demnach 2021 in der Region aus der Evangelischen Kirche ausgetreten. Lesen Sie dazu auch: Evangelische Kirche verliert Mitglieder
jüb/wsp