Das Steag-Steinkohlekraftwerk in Bergkamen. Foto: Steag GmbH
22.06.2022

Längere Laufzeit möglich

Das Aus für das Steinkohlekraftwerk Bergkamen war ursprünglich für den 31. Oktober 2022 vorgesehen. Angesichts drohender Gasengpässe könnte es aber noch länger Strom produzieren.

Die Bundesnetzagentur hat das Kraftwerk zunächst bis zum 31. Oktober 2024 als systemrelevant eingestuft. „Das bedeutet, dass das Kraftwerk vom Netzbetreiber angefordert werden kann, wenn dessen Leistung zur Stabilisierung des Stromnetzes benötigt wird. Das Kraftwerk muss also betriebsbereit gehalten werden; dazu bedarf es Personal und Brennstoffreserven“, sagt Daniel Mühlenfeld, Pressesprecher der Steag GmbH, die das Kraftwerk betreibt. Das Unternehmen habe die entsprechenden Vorbereitungen getroffen.

Unabhängig davon könnte das Kraftwerk künftig auch dazu eingesetzt werden, für Gaskraftwerke einzuspringen, wenn sich insbesondere über den Winter die Versorgungslage beim Erdgas verschlechtern sollte, so Mühlenfeld weiter. Hintergrund ist die Drosselung der Gaslieferungen aus Russland. Damit die deutschen Gasspeicher dennoch weiter für den Winter gefüllt werden können, soll die Gasverstromung nach dem Willen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reduziert werden. Daher könnten demnächst mehr Kohlekraftwerke wieder Strom liefern als ursprünglich geplant. Ein entsprechendes Gesetz wird am 8. Juli im Bundesrat verhandelt.

Fernwärmeversorgung durch Steinkohlekraftwerk

Beim Energieversorger Uniper will man den genauen Gesetzestext abwarten, ehe man sich konkret äußert. Die Grundidee, dass man auf bestimmte Zeit befristet Ersatzkraftwerke nutzen kann, um im Strommarkt und bei der Gasversorgung für Entlastung zur sorgen, unterstütze das Unternehmen aber, so ein Uniper-Sprecher. Als Ersatzkraftwerk in Frage käme beispielsweise das Kraftwerk Heyden in Petershagen im Kreis Minden-Lübbecke. Dort wurde die kommerzielle Stromerzeugung zwar bereits Ende 2020 beendet, bis zum September 2022 ist es aber schon als Reservekraftwerk eingesetzt.

Der Chemiekonzern Evonik hat sein Kohlekraftwerk in Marl Medienberichten zufolge wieder hochgefahren. Eigentlich sollten im Chemiepark Marl zwei moderne Gaskraftwerke in Betrieb gehen und die Energiegewinnung aus Kohle ersetzen, um CO2 einzusparen. Jedoch könne man die beiden Kraftwerke jetzt nicht anfahren, weil Gas im Augenblick sehr teuer sei, zitiert der WDR Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann.

Die Steag hat aufgrund der aktuellen Gasengpässe für ein weiteres Kohlekraftwerk ihre Pläne geändert. Für „Herne 4“ war ursprünglich geplant, das Kraftwerk aus eigener Initiative in diesem Frühjahr stillzulegen, so der Steag-Sprecher gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL. Doch bereits im März hat Steag angesichts der möglichen Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf die Erdgasversorgung in Deutschland beschlossen, die Stilllegung bis auf Weiteres zu verschieben. Rechnerisch könnten so 275.000 Fernwärmekunden im Ruhrgebiet über den Winter auf Basis des Energieträgers Steinkohle auch im Fall einer Gasmangellage sicher mit Heizwärme versorgt werden.

jüb/wsp

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