Schritt zu mehr Tierwohl in der Fleischproduktion: Aldi will Billigfleisch, das aus Produktionen mit schwierigen Haltungsformen stammt, bis 2030 aus dem Kühlregal verbannen. Foto: pixabay
30.06.2021

Mehr Tierwohl in der Fleischproduktion

Der Lebensmittel-Discounter Aldi will Billigfleisch bis 2030 aus dem Sortiment verbannen. Die Landwirte der Region würden mehr Tierwohl umsetzen – unter bestimmten Voraussetzungen.

„Die deutschen Bauern und Aldi eint das Ziel, dem Tierwohl in unseren Ställen eine größere Bedeutung zu geben“, sagt der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV). Allerdings könne die Umstellung nur dann gelingen, wenn neben den bau- und umweltrechtlichen Anpassungen die erforderlichen massiven Investitionen gegenfinanziert und langfristige, verlässliche Liefervereinbarungen getroffen werden.

In Westfalen gibt es allein 4840 Schweinehalter. In den meisten Ställen vor allem bei den Fleischproduzenten werden die Tiere in den Tierwohl-Haltungsformen 1 und 2 gehalten. Fleisch aus diesen Haltungsformen will Aldi bis 2030 aus dem Kühlregal verbannen. Die Landwirte seien bereit, ihre Haltungsformen entsprechend umzustellen, so ein Sprecher des WLV gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL. Allerdings gebe es noch einige Fragezeichen: Wie kann die Transformation gelingen? Wie viel kostet das? Und wer bezahlt die Umwandlung?

„Tierwohl nicht zum Nulltarif“

Der Sprecher macht weiter deutlich: „Mehr Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif.“ Um mehr Licht und mehr Platz in die Ställe zu bekommen, müssen die Landwirte investieren. Nach einer Umrüstung können sie auf der gleichen Fläche weniger Tiere halten. „Eine Umstellung funktioniert also nur, wenn die Landwirte mehr Geld pro Tier bekommen“, so der Sprecher weiter.

Der Kastenstand in der Muttersauen-Haltung ist in der Kritik. Foto: Bröker

Der Kastenstand in der Muttersauen-Haltung ist in der Kritik. Foto: Bröker

Und es gibt noch ein Problem. Gerade die Schweinezüchter der Region halten ihre Tiere meist in Ställen mit Filteranlagen. Sind die Tiere draußen, fallen diese Filter weg, es kommt zu Emission. Heißt: Es stinkt und Schadstoffe können in die Umwelt gelangen. Größere Anlagen der Tierhaltung durchlaufen daher ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Hier und auch bei den langwierigen Verfahren zum Bauantrag müsse nachgebessert werden.

Staatliches Tierwohllabel gescheitert

„Aldi weiß sehr gut, dass noch zahlreiche wichtige Detailfragen zu klären sind, wenn die Transformation gelingen soll. Wenn die Haltungsformen 3 und 4, die derzeit nur eine kleine Marktnische ausmachen, bis 2030 alle Regale füllen sollen, muss sich auch Aldi noch sehr anstrengen und vor allem deutlich höhere Erzeugerpreise zahlen, um mehr Tierwohl angemessen zu honorieren. Die deutschen Bauern sind sehr gespannt, wie Aldi dies umsetzen will. Ich biete dem Unternehmen gerne an, die vielen offenen Detailregelungen in einem Dialog zu erarbeiten“, so Beringmeier.

Eine staatliche Tierwohlkennzeichnung, wie sie die Borchert-Kommission – eine von Bundeslandwirtschaftsministern Julia Klöckner eingesetzte Expertenrunde – vorgeschlagen hatte, war erst vor kurzem im Bundestag gescheitert. Nun folgte stattdessen die privatwirtschaftliche Initiative von Aldi. Marktbeobachter gehen davon aus, dass auch die anderen großen Lebensmittelketten nachziehen werden.

Die jetzt veröffentlichten Vorschläge des Discounters griffen im Kern die Empfehlungen der Borchert-Kommission auf, sagte WLV-Präsident Beringmeier. „Ich selbst stehe zu 100 Prozent hinter diesen Empfehlungen und erwarte von der Politik, dass sie den Weg zu mehr Tierwohl in unseren Ställen möglich macht. Allerdings haben wir erst jüngst erlebt, dass die Parteien nicht in der Lage sind, die für einen Umbau der Nutztierhaltung erforderlichen Änderungen im Bau- und Umweltrecht zu beschließen und eine verlässliche Finanzierung des Umbaus zu gewährleisten.“

jüb/wsp

Vor welchen Herausforderungen die Bauern der Region stehen, lesen Sie auch in unserem Dossier zur Landwirtschaft in Westfalen. Dort finden Sie auch ein Erklärvideo zum Kastenstand in der Sauenhaltung. Hier geht es zum Dossier Landwirtschaft.

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