03.09.2012

Tatort Heimat: Westfalen ist eine Hochburg für Krimiautoren – und häufig Schauplatz ihrer Geschichten

Westfalen (wh). Das Verbrechen hat Hochkonjunktur in Westfalen " zumindest literarisch: Kriminalromane, die in der Region spielen, sind beliebter denn je. "In fast jeder größeren Stadt und vor allem in vielen ländlichen Regionen Westfalens wird fiktiv gemordet und ermittelt", sagt Herbert Knorr vom Westfälischen Literaturbüro. Der Dortmunder Grafit Verlag, der mit seinen Wilsberg-Krimis nicht unerheblich zum Boom beigetragen hat, formuliert es so: "Heute ist die Krimilandschaft unüberschaubar groß, fast nach dem Motto "Jedes Dorf bekommt seine Leiche`".
Warum der Mord vor der eigenen Haustür eine solche Popularität erreicht hat, lässt sich kaum nachvollziehen. "Das ist wie bei einer Pflanze, die über Nacht gewachsen ist: Plötzlich ist sie da, aber keiner weiß, woher sie kommt", so Knorr. Walter Gödden von der Literaturkommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) beobachtet nicht nur in der Kriminalliteratur einen Trend zur eigenen Region: "Leser und Zuschauer haben ein Bedürfnis, die Heimat abgebildet zu sehen. Darauf reagieren Krimi-Autoren genauso wie Kabarettisten " ich denke da etwa an Fritz Eckenga."
Einig sind sich die Literaturwissenschaftler darin, dass Westfalen eine echte Hochburg der Regional-Krimi-Szene ist. "Das hat damit zu tun, dass es in Westfalen zahlreiche markante Orte gibt, die viel zur Atmosphäre beitragen können. Münsters pittoreske Innenstadt oder die Industrieruinen im Ruhrgebiet bieten stimmungsvolle Kulissen", so Gödden.
Dass solch eine Kulisse aber auch überstrapaziert werden kann, stellt Herbert Knorr immer häufiger fest: "Es gibt mittlerweile viele Regionalkrimis, bei denen der Lokalkolorit an erster Stelle steht. Darunter leidet dann oft die Story. Im Idealfall gehen Ort und Handlung eine Symbiose ein."
Die Liste der westfälischen Autoren, denen das immer wieder gelingt, ist lang: Die Dortmunder Journalistin Gabriella Wollenhaupt etwa lässt ihre Hauptfigur Maria Grappa seit fast 20 Jahren mit viel Witz und Ironie in der fiktiven "Bierstadt" ermitteln, für die unverkennbar Dortmund Pate stand.
Auch die Sauerlandkrimis von Kathrin Heinrichs punkten mit Spannung und Humor. Acht Mal schickte die Mendenerin bislang ihren Vincent Jakobs auf Verbrecherjagd. Am 14. September feiert ihr neuestes Werk Premiere: "Um die Ecke gebracht: Das Sauerland & andere Regionen in 12 Kurzkrimis".
Unter anderem mit dem Deutschen Krimipreis und dem Friedrich Glauser Preis wurde der Ostwestfale Norbert Horst ausgezeichnet. Eine kühle und prägnante Sprache kennzeichnet seine Romane. Darüber hinaus beeindrucken sie durch ihre Authentizität, was kein Wunder ist: Horst ist im Hauptberuf Kriminalhauptkommissar bei der Bielefelder Polizei. Mit seinem zuletzt veröffentlichten Krimi "Splitter im Auge" wechselte er die Kulisse von Ostwestfalen nach Dortmund.
Zu den berühmtesten westfälischen Autoren zählt der Münsteraner Jürgen Kehrer, der mit "Wilsberg" einen der populärsten Privatdetektive in Deutschland geschaffen hat. Inzwischen gibt es nicht nur 18 Romane, die in Münster spielen, sondern auch 36 ZDF-Filme und sogar einen Comic-Band.
Im umliegenden Münsterland sind die Krimis von Stefan Holtkötter angesiedelt. Der Autor ist auf einem westfälischen Bauernhof aufgewachsen und lässt auch seinen Hauptkommissar Bernhard Hambrock auf dem Land ermitteln. Seine Krimis "Düstermühle", "Bullenball" oder "Bauernjagd" sind von den Kritikern gelobt worden " auch wegen der atmosphärischen Beschreibung des Münsterlandes.
Dass auch Anette von Droste-Hülshoff auf die Liste der westfälischen Krimi-Autoren gehört, mag wundern, ist für Walter Gödden aber selbstverständlich: "`Die Judenbuche` handelt von einem unaufgeklärten Mord, der im "gebirgichten Westfalen` stattgefunden hat. Auch wenn es ungewöhnlich klingt: Die Droste hat mit ihrer Novelle 1842 einen der ersten Regional-Krimis geschrieben."

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