Experten sehen in vom Borkenkäfer zerstörten Waldgebieten großes Potenzial für neue Windkraftanlagen. Foto: Pixabay
11.04.2022

Windkraftpotenzial liegt im Wald

Westfalen hat großes Potenzial für den Ausbau der Windkraftnutzung. Das geht aus der jüngsten Windkraftstudie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) hervor.

Demnach könnten sich in Zukunft vor allem im Sauerland und im Raum Paderborn, hier besonders im Kreis Höxter, vereinzelt auch im Münsterland, deutlich mehr Windräder drehen. Aktuell gibt es rund 2690 Windenergieanlagen (WEA) in der Region mit einer installierten Leistung von rund 4200 Megawatt (MW). Im optimistischeren von zwei Szenarien stellt die Studie für Westfalen zusätzlich mehr als 1600 neue Anlagen mit einer möglichen Leistung von knapp 9300 Megawatt in Aussicht.

Landesweit deckt die Windenergie mit einer installierten Leistung von rund 6300 Megawatt aktuell den Strombedarf von rund drei Millionen Haushalten ab. Die Landesregierung strebt NRW-weit bis 2030 eine Verdopplung dieses Wertes an. „Unsere Zahlen belegen, das Potenzial ist da. Wir können mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien unsere Abhängigkeit von fossilen Energieimporten verringern und dem Klimawandel begegnen“, sagt der Präsident des LANUV, Dr. Thomas Delschen.

Windkraft auf Schadflächen im Wald

Allerdings schränkt die Studie ein, dass einige Flächen als potenzielle Windkraftstandorte ausgewiesen wurden, bei denen die großflächige Windenergienutzung unter den derzeitigen Bedingungen eher unwahrscheinlich ist. So wurden etwa Belange des Artenschutzes in der optimistischen Version nicht berücksichtigt. Man habe für die Berechnungen unterschiedliche Flächenbewertungen zu Grunde gelegt. Das führe dazu, dass die Ergebnisse der Analyse das tatsächlich nutzbare Potenzial bis zum Jahr 2030 tendenziell überschätzen, so ein Fazit der Studie.

„Vor allem im Leitszenario haben wir Flächen mit einberechnet, die derzeit planerisch nicht generell für Windenergieanlagen nutzbar wären“, so Delschen weiter. Dazu gehörten unter anderem auch durch Trockenheit und den Borkenkäfer geschädigte Flächen im Wald. So kommt die Studie allein für den Regierungsbezirk Arnsberg auf potenziell mehr als 900 Windenergieanlagen. Die Wälder in Südwestfalen sind von den Folgen der vergangenen Trockenjahre besonders stark betroffen. Dort liegen etwa 60 Prozent der gesamten Schadflächen Nordrhein-Westfalens, das entspricht rund 66.000 Hektar.

Wie viel Abstand ist sinnvoll?

Kritik an der Studie und den Ausbau-Szenarien in den Wäldern kommt von Naturschutzorganisationen. So sieht der Nabu NRW den Ausbau der Windenergie auch an Waldstandorten „nur als letzte Option“. Zuerst müssten alle Flächenpotenziale in bereits intensiv genutzten Landschaftsräumen voll ausgeschöpft werden, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands. Der Nabu verweist auf die Wirkung einer veränderten Abstandsregel: Bereits bei einem zugrunde gelegten Abstand zur Wohnbebauung von 720 Metern statt 1000 Metern stünden 25.000 Hektar Potenzialfläche für den Bau von Windrädern zur Verfügung. Hinzu kämen Flächen entlang von Straßen und Schienen sowie im Umkreis von Luftverkehrseinrichtungen und seismologischen Stationen, so der NABU.

Serie zur Landtagswahl

NRW hat einen neuen Landtag gewählt. In unserer Serie blicken wir aus westfälischer Perspektive auf Ergebnisse, Themen und Parteien.

CDU und FDP im Landtag haben die Abstandsregel von 1000 Metern zur Wohnbebauung unlängst allerdings noch bekräftigt, Grüne und SPD wollen sie abschaffen, die AfD plädiert für einen Abstand von mindestens 2500 Metern (siehe Positionen der Parteien am Ende des Textes).

Die meiste Windkraft wird im Kreis Paderborn genutzt

Im zweiten, eher pessimistischen Szenario des LANUV spielt der Ausbau der Windkraftanlagen im Wald kaum eine Rolle. Dieses Szenario verfolgt einen vorsichtigen Ansatz und „umfasst nur Potenzialflächen mit einer aus Landesperspektive relativ großen Umsetzungswahrscheinlichkeit“, heißt es. Unter diesen Voraussetzungen schmilzt das Potenzial für den Regierungsbezirk Arnsberg von mehr als 900 neuen Anlagen auf 12 bis 2030. Für Westfalen sinkt die Zahl von 1651 neuen WEA auf 216.

Aktuell liegt der Kreis Paderborn mit 533 Windenergieanlagen und einer installierten Leistung von gut 1000 MW im landesweiten Kreisvergleich deutlich an der Spitze, der Kreis trägt allein zu mehr als der Hälfte aller Anlagen im Regierungsbezirk Detmold bei. Die beiden Kreise Borken (318 WEA, 559 MW) und Steinfurt (310 WEA, 554 MW) folgen mit bereits deutlicherem Abstand.

jüb/wsp

Und was sagen die im Landtag vertretenen Parteien zum Thema Ausbau der Windenergie? Wohin mit den Windrädern – wo in Westfalen sollen in Zukunft erneuerbare Energien produziert werden? Wir haben nachgefragt.

  • CDU
    Nordrhein-Westfalen belegt beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Ländervergleich bereits Spitzenplätze. In NRW sind dieses Jahr im ersten Quartal 23 neue Windräder in Betrieb gegangen – nach Schleswig-Holstein bundesweit die zweithöchste Zahl. Dennoch muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien in NRW und ganz Deutschland weiterhin beschleunigt werden. Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist es zunehmend wichtiger, unabhängiger vom Import fossiler Energieträger zu werden. Die CDU ist davon überzeugt, dass die Energiewende nur dann gelingen kann, wenn die Menschen mitmachen. Deshalb ist es entscheidend, die Akzeptanz der Anwohnerinnen und Anwohner für Windkraftanlagen zu bewahren, indem Abstände zur Wohnbebauung erhalten bleiben. Gleichzeitig wollen wir Konzepte zur finanziellen Beteiligung fördern, damit die Menschen unmittelbar von der Windenergie profitieren.  Die Landesregierung hat bereits eine Energieversorgungsstrategie vorgelegt, die das Ziel hat, bis 2030 die installierte Leistung der Windenergie zu verdoppeln. Dabei werden wir vermeiden, dass einzelne Regionen übermäßig beansprucht werden.
  • FDP
    Schon jetzt belegt NRW beim Ausbau der Erneuerbaren Energien Spitzenplätze. 2020 lag der Nettozubau bei 280 Megawatt. Das ist mehr als in jedem anderen Bundesland. Unsere Ambitionen bleiben hoch – bis 2030 wollen wir mehr als 55 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien erzeugen. Wir machen den Bau von Anlagen attraktiver, beschleunigen Genehmigungsverfahren und schaffen neue Möglichkeiten der Flächennutzung. Die Akzeptanz kann nicht nur durch regelmäßigen und verständlichen Informationsfluss, sondern auch durch eine wirtschaftliche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an entsprechenden Projekten steigen. Insgesamt werden wir den Windenergieausbau verdoppeln. Schutzabstände steigern dabei die Akzeptanz von Anlagen in der Wohnumgebung und schaffen Planungs- und Rechtssicherheit für Anwohnerinnen und Anwohner, Kommunen und Betreiber. Bei einem Konsens vor Ort ist aktuell bereits ein geringerer Abstand möglich. Damit der Ausbau von Windenergie beschleunigt werden kann, braucht es bundesweit einheitliche Standards. Auch mit der Abstandsregelung ist das Ausbauziel für Windkraft erreichbar.
  • SPD
    Derzeit werden in NRW etwa 0,7 Prozent der Landesfläche für Windkraft genutzt. Das ist zu wenig, um mit Erneuerbaren Energien die Wende für ein klimaneutrales NRW zu schaffen. Wir brauchen einen Ausbau der Windkraft und auch zusätzliche Anlagen über ganz NRW verteilt. Das bestehende Bundesimmissionsschutzgesetz sorgt dabei dafür, dass Anlagen nach wie vor nicht in den Vorgärten entstehen. Die pauschalen landeseigenen Abstandsregeln halten wir nicht für sinnvoll.
  • GRÜNE
    Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren Energien in NRW enorm beschleunigen – um unsere Klimaziele zu erreichen, aber auch um schnellstmöglich unabhängig von russischen Energieimporten zu werden. Ergänzend zu den wichtigen Maßnahmen der Bundesregierung wollen wir dafür die landespolitischen Blockaden der letzten Jahre auflösen, um zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie zur Verfügung zu stellen. Der erste Schritt dafür ist die Abschaffung der pauschalen 1000-Meter-Mindestabstände für Windenergieanlagen. Gleichzeitig wollen wir eine verantwortungsvolle Regelung schaffen, um auf Forstflächen mehr Windenergie zu ernten. Aber auch in Gewerbe- und Industriegebieten wollen wir Windenergie erleichtern. Wichtig für die Akzeptanz ist, dass Teilhabemöglichkeiten für Bürger*innen und Standortkommunen geschaffen werden. Gleichzeitig möchten wir eine echte Solaroffensive starten. Solarenergie muss schrittweise auf allen geeigneten Dächern zum Standard werden. Doch wir müssen auch in der Fläche den Bau von Solarparks erleichtern und hierfür klare Regeln erarbeiten. Vor allem entlang von Autobahnen schlummert in NRW enormes Potenzial, aber auch die Kombination mit landwirtschaftlicher Nutzung wie im Gartenbau werden wir unterstützen.
  • AFD
    Eine Subventionierung der Energieproduktion durch Windkraft, Photovoltaik und Biogas lehnen wir ebenso ab wie den „Green Deal“ der EU. Flächen für Windindustrieanlagen dürfen nur bei breiter Zustimmung der betroffenen Bürger ausgewiesen werden. Der Mindestabstand von Windindustrieanlagen zur Wohnbebauung muss das 10-fache der Gesamthöhe, mindestens jedoch 2,5 km betragen. In Wäldern und Schutzgebieten dürfen keine Wind- und Solaranlagen errichtet werden. Energiepflanzen für Biogas wollen wir nicht subventionieren, und Ackerflächen stattdessen wieder für den Nahrungsmittelanbau nutzen oder renaturieren. Die AfD NRW begrüßt nachdrücklich das Vorhaben der EU-Kommission, Kernenergie als nachhaltige Energieform einzustufen. Kernkraftwerke der neuen Generation verfügen über eine naturgesetzliche Eigensicherheit, lösen das Problem der Endlagerung, schaffen die wirtschaftliche Voraussetzung zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe und sorgen für eine sichere Energieversorgung unseres Industrielandes.

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