Das Sauerland verzeichnete im vergangenen Jahr im landesweiten Vergleich noch die geringsten Einbußen bei den Tourismuszahlen. Foto: pixabay
18.02.2021

Urlaub ist nicht ausgefallen

Der Tourismus-Experte Bernd Schabbing spricht im Interview vor dem Hintergrund der historisch schlechten Übernachtungszahlen- und Gästezahlen in der Tourismuswirtschaft über die Aussichten für die nächsten Jahre und kleine Erfolge.

Wie bewerten Sie den Einbruch im Tourismusgewerbe? 
Auf den ersten Blick sind die Zahlen sicherlich verheerend, auf den zweiten Blick ist es aber auch so, dass der Tourismus im vergangenen Jahr auch nicht total ausgefallen ist. Man hat ja immer noch um die 60 Prozent der Zahlen aus dem Vorjahr erreicht. Das ist in Pandemiezeiten durchaus eindrucksvoll und zeigt, wie stark das Bedürfnis der Menschen ist, in den Urlaub zu fahren.

Wann werden die Zahlen wieder auf einem Vor-Corona-Niveau liegen?
Wichtige Daten hierzu liefert die Reiseanalyse Trendstudie 2030. Demnach wird es wohl etwa zwei bis drei Jahre dauern, bis der Tourismus das alte Niveau wieder erreicht haben wird. Es gibt allerdings Unterschiede. Bei Flugreisen werden die Menschen wohl etwas länger zurückhaltender bleiben. Wahrscheinlich wird man dort auch nicht das alte Niveau erreichen. Insgesamt denke ich, dass wir 2021 aber sicherlich mit einem ähnlichen Stand rechnen können, wie es 2020 der Fall war.

Was kann die Tourismuswirtschaft tun, um das Vertrauen potenzieller Gäste zu gewinnen?
Die Branche hat ja schon Vorkehrungen getroffen. Sowohl Hotels als auch Reiseveranstalter haben viele Maßnahmen umgesetzt, um das Infektionsrisiko deutlich zu reduzieren. Ohnehin ist die Sorge sich im Hotel anzustecken, nicht so groß. Wichtiger ist die Frage, wie es im Reiseland und in der Region oder dem Ort aussieht, in den man fahren will. Ein aktuelles Problem für die Branche sind Ankündigungen von Politikern, die schon vor Osterurlaub gewarnt haben und auch Probleme bei Sommerreisen sehen. Zudem muss man abwarten, wie sich das Impfgeschehen weiterentwickelt und wie sich die Mutanten weiter verbreiten. Sollte das alles gut laufen, wird es im Sommer auch wieder mehr Reisebuchungen geben.

Der Urlaub in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen Boom erlebt. Hält der Trend 2021 an?
Ja, Deutschland wird das Top-Reiseziel für die Deutschen bleiben. Die Menschen können in den anderen Ländern nicht so gut abschätzen, wie die Corona-Situation dort sein wird. Deshalb bleibt man lieber im eigenen Land. Wichtiges Kriterium ist auch die Anreise. Alles, was man mit dem Auto schaffen kann, wird auch eher gebucht. Ab 2022 oder 2023 werden die Reiseziele sich wieder an die gewohnte Verteilung der vergangenen Jahre annähern: Ein Drittel der Deutschen verreist im Inland, ein Drittel ins europäische Ausland, ein Drittel unternimmt Fernreisen.

Das Sauerland und der Teutoburger Wald konnten sich 2020 noch über vergleichsweise viele Gäste freuen, woran liegt das?
Das hat mit den Besonderheiten der Corona-Pandemie zu tun. Urlaub in der Natur, im ländlichen Raum gilt bei vielen als sicherer als der Städtetrip oder die Wellnessreise. Auf Dauer wird es für diese Regionen aber keinen Höhenflug geben. Ich glaube, dass die Menschen, sobald es möglich und sicher ist, auch wieder an den Strand, in die Sonne, in die Berge möchten. Trotzdem wird der Urlaub zuhause, im ländlichen Raum schon einige Menschen überzeugt haben. Ein paar Prozente werden diese Regionen auch behalten.

Bernd Schabbing ist Professor für Tourismus und Eventmanagement an der International School of Management Dortmund. Foto: privat

Bernd Schabbing ist Professor für Tourismus und Eventmanagement an der International School of Management Dortmund. Foto: privat

Welche Rolle spielen Geschäftsreisende für die Tourismusbranche gerade in den Großstädten?
Eine ganz wichtige. Manches Hotel hat sich sicher durch dieses Geschäft in den vergangenen Monaten überhaupt über Wasser gehalten. Denn der klassische Handlungsreisende war ja auch weiter unterwegs. Aber das hat in keiner Weise die Dimensionen aus dem sogenannten Eventbereich. Man darf nicht vergessen: viele Hotelübernachtungen und auch viele Flüge basieren auf Reisen zu Messen, Tagungen und Fortbildungen. Allein in Deutschland wurden noch 2019 im gesamten Eventbereich rund 130 Milliarden Euro umgesetzt. Davon fallen erhebliche Anteile auf den Geschäftsreise-Tourismus. Auch der Handel und die Gastronomie leben zu wesentlichen Teilen von diesen Reisen, die seit März 2020 komplett wegfallen. Das ist schon verheerend.

Interview: Jürgen Bröker, wsp

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