„Die Gefahr ist sehr real“
NRW-Landtagspräsident André Kuper setzt sich für die Gedenkstätte Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock ein. Im Interview mit dem WESTFALENSPIEGEL spricht er über den Streit um den Zuschuss des Kreises Gütersloh, der den Ausbau des Erinnerungsortes zum Scheitern bringen könnte.
Herr Kuper, nach dem Vorstoß der CDU-Fraktion im Gütersloher Kreistag – ist das „Projekt Stalag“ in Gefahr?
Die Gefahr, dass der geplante Ausbau der Gedenkstätte Stalag 326 scheitert, ist sehr real. Es gibt Zusagen für umfangreiche Förderungen von Bund, Land und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro. Fest steht: Ein solches Projekt von bundesweiter Bedeutung kann nur verwirklicht werden, wenn die Region, also der Kreis Gütersloh, dahintersteht.
Die CDU-Fraktionsvorsitzende hat Bedenken, dass die Betriebskosten den Kreis überfordern könnten. Können Sie das nachvollziehen?
Viele Bauprojekte werden kontrovers diskutiert und dafür habe ich Verständnis. Gleichzeitig erinnere ich daran, dass bereits im September 2020 im Kreistag Gütersloh eine Machbarkeitsstudie zum Stalag 326 mit Zahlen, Daten und Fakten vorgestellt wurde und zustimmend von allen Fraktionen zur Kenntnis genommen wurde. Zu Beginn dieses Jahres wurden die Ausbaupläne noch einmal von der Lenkungsgruppe und vom LWL auf Einsparmöglichkeiten überprüft. Nach diesen aktuellen Berechnungen betragen die Betriebskosten lediglich 4,6 statt den ursprünglich veranschlagten 5,6 Millionen Euro, von denen der Kreis Gütersloh ab voraussichtlich 2030 zehn Prozent tragen soll. Wichtig bei allen Berechnungen ist mir aber auch, dass diese Gedenkstätte mit einer Ausstellung wichtig für die Demokratiebildung ist. Nicht zuletzt in Zeiten, in denen rechtsextreme Tendenzen zunehmen.
64 Millionen Euro sind für den Ausbau der Gedenkstätte veranschlagt. Warum ist diese Investition notwendig?
Es gibt auf dem Gelände des Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock bereits eine Gedenkstätte in einer kleinen Baracke, die jedoch nicht frei zugänglich ist, da sie sich auf dem Gelände der Polizeischule befindet. Diese Gedenkstätte wird von einem sehr aktiven Förderverein betrieben, der jedoch mit den Möglichkeiten des ehrenamtlichen Engagements an Grenzen stößt. Die Ausstellung zum Stalag 326 ist zudem in die Jahre gekommen und nicht mehr zeitgemäß.
Was soll dort nun passieren?
Geplant ist, dass die Polizeischule, die zum Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen gehört, verlegt wird. Dafür müssen unter anderem eine Straße gebaut, Leitungen verlegt und Zäune errichtet werden. Dann geht es um die Sanierung und den Umbau der drei denkmalgeschützten Stalag-Gebäude. Dabei handelt es sich um das ehemalige Arrestgebäude, die sogenannte Entlausungsbaracke und das Sozialwerk. Dort soll zukünftig eine Ausstellung eingerichtet werden. Diese soll insbesondere für Schülerinnen und Schüler, aber auch als Erinnerungsort für die breite Öffentlichkeit attraktiv sein. Es gibt immer weniger Zeitzeugen, die die Verbrechen der NS-Zeit, so wie sie im Kriegsgefangenenlager in Schloß Holte-Stukenbrock geschehen sind, selbst erlebt haben und davon in Familien, Schulen oder auch Vereinen berichten. Daher ist es wichtig, dass es Gedenkstätten gibt, die an authentischen Orten informieren. Das Geld, das hier in Ostwestfalen in die Demokratiebildung investiert werden soll, ist kein verlorenes Geld.
Interview: Annette Kiehl, wsp
Lesen Sie mehr zum Streit um den Stalag-Zuschuss hier. Hier finden Sie unsere Serie über Erinnerungsorte in Westfalen.