Diskussion um Hochschulgründung in China
Die von der Hochschule Bielefeld angekündigte Gründung einer unabhängigen ausländischen Hochschule in China stößt auf Kritik. Sie widerspreche der neuen China-Strategie der Bundesregierung, heißt es unter anderem.
Vor knapp zwei Wochen hatte die Hochschule Bielefeld (HSBI) die Gründung der „Hainan Bielefeld University of Applied Sciences“ (BIUH) angekündigt. Die HSBI selbst hatte die Gründung als „Paukenschlag in der akademischen Welt“ bezeichnet. Schließlich sei es ihr gelungen, als erste ausländische Institution überhaupt eine eigenständige Hochschule in der Volksrepublik China zu gründen. Doch die neue Hochschule hat nicht überall Beifall hervorgerufen. Unter anderem meldeten sich die Jungen Liberalen zu Wort. Die Neugründung laufe der China-Strategie der Bundesregierung zuwider: Gerade in der Forschung müsse Decoupling, also das Mindern von Abhängigkeiten und Risiken, das Gebot der Stunde sein. Die BiUH werde stattdessen zum Sicherheitsrisiko für Deutschland, so die Jugendorganisation der FDP.
Gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL äußert sich HSBI-Präsidentin Ingeborg Schramm-Wölk zu der vorgebrachten Kritik: „Angesichts der Tatsache, dass die BiUH grundständige, praxisorientierte Bachelor- und Masterstudiengänge nach deutschem Vorbild anbieten will, stellen die Aktivitäten kein wie auch immer geartetes Sicherheitsrisiko dar. Wenn es irgendwann Forschungen an der BiUH geben wird, wollen wir, dass diese beiden Ländern, also China und Deutschland, zugutekommen.“ Ziel des Projektes sei es, gemeinsam eine Hochschule nach deutschem Vorbild aufzubauen. „Wir stellen den Präsidenten, und es ist geplant, mehrheitlich in allen wichtigen Gremien vertreten zu sein. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen: Es gibt keine Blaupause, das Projekt ist einzigartig. Wir sind im gesamten Verfahren bis zur Gründung der BiUH überaus umsichtig vorgegangen.“
Kritik kommt auch aus dem Bildungsministerium
Kritik kommt auch aus Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Dabei hat das Ministerium das Projekt über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit 1,8 Millionen Euro gefördert. „Für das BMBF sind Wissenschaftsfreiheit, die friedliche Nutzung von gemeinsam erzielten Forschungsergebnissen und Rechtssicherheit bei Wissenschaftskooperationen zentral. Das spiegelt sich auch in der China-Strategie der Bundesregierung wieder“, so eine Sprecherin des Ministeriums. Daher sehe man das Bielefelder Projekt inzwischen kritisch. Zudem sei die Entscheidung für eine Förderung des Projektes bereits 2020 im damaligen Kontext getroffen worden.
„Wir haben für das Projekt eine Förderung vom DAAD erhalten für die Jahre 2021 bis 2024 aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Programmlinie ,Transnationale Bildungsangebote deutscher Hochschulen im Ausland‘, und wir werden das Projekt mit Umsicht und Sachverstand weiterführen“, entgegnet Schramm-Wölk der Kritik aus dem Ministerium. Das Projekt der neuen Hochschule ist nach ihrer Auffassung gedeckt durch die China-Strategie der Bundesregierung, die eine enge Zusammenarbeit in der Wirtschaft, aber auch im Hochschulwesen befürworte, solange dies mit Augenmaß geschehe. „Im Projekt haben wir mit den chinesischen Partnern in ein Memorandum of Understanding vereinbart, dass die BiUH eine Hochschuleinrichtung mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit ist, dass die Hochschule die akademische Freiheit genießt und garantiert und dass alle akademischen Aktivitäten wie Lehre und Forschung friedlichen Zwecken dienen. Eine bereits im Antrag vorgesehene Clearingstelle wird künftig den Rahmen für die Einhaltung der Vereinbarung bieten.“
Unternehmen hoffen auf Zugang zum chinesischen Markt
Langfristig sollen an der neuen bis zu 12.000 junge Menschen studieren. Angeboten werden unter anderem die Studiengänge, Digitale Logistik, Elektrotechnik, Maschinenbau, Mechatronik/Automatisierung und Wirtschaftsingenieurwesen. Die Lehre findet dabei nach dem Prinzip der praxisintegrierten Studiengänge der HSBI statt. Das bedeutet: Die Studierenden verbringen im Wechsel etwa die Hälfte ihres Studiums an der Hochschule und die andere in kooperierenden Unternehmen. Dazu hätten einige Unternehmen aus Ostwestfalen-Lippe bereits ihr Interesse bekundet, so die HSBI. Diese erhoffen sich laut Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld dadurch Vorteile beim Eintritt oder Ausbau ihrer Wirtschaftsbeziehungen im und zum chinesischen Markt. „Allerdings durchlaufen die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen gerade schwere Zeiten. Speziell auch wegen der geopolitischen Spannungen baut sich derzeit Druck auf. Umso wichtiger ist es, gerade jetzt miteinander zu reden, statt sich gegenseitig voneinander abzugrenzen“, sagt Uwe Lück, IHK-Referatsleiter Technologie und Innovation sowie IHK-Hochschulbeauftragter.
jüb/wsp