In den Gebieten von Emschergenossenschaft und Lippeverband zählte der Juli 2022 zu den trockensten Monaten seit mehr als 130 Jahren. Die Emscher-Mündung bei Dinslaken ist fast ausgetrocknet. Foto: Andreas Fritsche/EGLV
11.08.2022

„Es geht um wichtige Zukunftsfragen“

2022 ist einmal mehr ein Jahr der Wetterextreme. Bereits im Frühjahr fiel deutlich zu wenig Regen und der Juli gilt als einer der trockensten Sommermonate seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Gleichzeitig werden Hitzerekorde mit Temperaturen über 40 Grad geknackt. Im Interview spricht der Dortmunder Raumplaner Prof. Stefan Greiving darüber, wie Städte sich besser auf Extremwetter einstellen können.

Herr Greiving, der Sommer 2022 ist sehr trocken, es gibt einmal mehr Hitzerekorde. Welche Auswirkungen hat das in unseren Städten?
Wenn man auf die Städte blickt, dann fällt auf, dass sich besonders verwundbare Personen oft an besonders heißen Orten aufhalten. Denn Altenheime, Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen befinden sich in der Regel in dicht bebauten Quartieren. Diese Einrichtungen haben oft keine Außenbeschattung, so dass die Temperaturen in den Innenräumen enorm ansteigen. Klimaanlagen könnten hier natürlich eine Lösung sein, aber das geht in unserem derzeitigen Energiemix auf Kosten des Klimaschutzes. Die Städte stehen vor einer enormen Herausforderung, um diese soziale Infrastruktur fit für die Zukunft zu machen.

Wie können sich die Städte besser auf Hitzewellen einstellen?
Mitteleuropäische Städte, die sich über Jahrhunderte unter anderen klimatischen Gegebenheiten entwickelt haben, können nun nicht schnell verändert werden. Hinzu kommt, dass es in der Stadtentwicklung viele Konflikte gibt und einfache Antworten nicht unbedingt funktionieren. Beispielsweise wird oft vorgeschlagen, mehr Bäume zu pflanzen, um über die Verdunstung einen Abkühlungseffekt zu erzielen. Das funktioniert bei großer Trockenheit aber nur, wenn diese grüne Infrastruktur bewässert wird. Bei Wasserknappheit kann das schon schwierig werden.

In Bochum werden unterirdische Tanks gebaut, um Wasser zu speichern und Bäume zu bewässern. Ein Modell für die Zukunft?
Grundsätzlich ist das ein gutes Modell, das im Idealfall zwei Probleme löst. Die sogenannten Baumrigolen tragen zum Wasserrückhalt bei Starkregenereignissen bei. Das Wasser wird unterirdisch gespeichert und hilft den Bäumen in Trockenperioden. Aber auch diese Technologie hat ihre Grenzen. Sie funktioniert vor allem bei Neuanpflanzungen, nicht aber bei bestehenden Bäumen. Und wenn unter der Erde bereits Rohre liegen, kann es eng werden. Es gibt in den Städten nämlich auch unterirdisch Platzprobleme. 

Stefan Greiving ist Professor an der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund und beschäftigt sich unter anderem mit Klimafolgen- und Risikoforschung. Foto: privat

Stefan Greiving ist Professor an der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund und beschäftigt sich unter anderem mit Klimafolgen- und Risikoforschung. Foto: privat

Über der Erde wird gerade viel gebaut, um Wohnraum zu schaffen.
Hier zeigt sich ein weiterer Konflikt. Um Wohnungen zu bauen, wird in vielen Städten, gerade entlang der Rheinschiene, praktisch jede Freifläche zugepflastert. Mit der Innenverdichtung wird häufig das Ziel einer stärkeren Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden. Das ist gut im Sinne des Klimaschutzes. Wenn eine dichte Bebauung und damit möglicherweise auch eine schlechtere Lebensqualität aber dazu führen, dass Menschen ins Umland ziehen und mit dem Auto in die Stadt fahren, hat man den gegenteiligen Effekt erreicht. 

Sind die Städte ausreichend aktiv, um die Folgen des Klimawandels abzufedern?
In den vergangenen zehn Jahren ist bereits einiges passiert. Großstädte wie Essen und Dortmund haben Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepte entwickelt und beteiligen sich an Forschungsprojekten. Am Institut für Raumplanung der TU Dortmund versuchen wir gerade auch Kleinstädte im Umgang mit diesen Herausforderungen zu unterstützen und zu befähigen. Es geht hier um wichtige Zukunftsfragen. Das zeigen nicht zuletzt die dramatischen Auswirkungen, die die Dürre derzeit in anderen europäischen Ländern hat.

Interview: Annette Kiehl, wsp

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